Dieser Satz ist besser als „Das ist nicht klausurrelevant.“

Tim Reichel

Für viele Studenten ist „Das ist nicht klausurrelevant.“ der schönste Satz im ganzen Studium. Klar: Das bedeutet weniger Arbeit, aber es gibt etwas Besseres

Bild: Viktor Hanacek / picjumbo.com

Du sitzt in der Vorlesung.

Es ist Nachmittag und du bist müde. Du spielst mit deinem Handy rum, checkst deine Mails und unterhältst dich mit deinem Sitznachbarn.

Plötzlich fällt dieser eine Satz und du bist hellwach. Der ganze Hörsaal ist hellwach.

Du nimmst deinen Stift und machst dir lächelnd eine Notiz in deine Unterlagen, denn dein Dozent hat es gerade wirklich gesagt:

„Dieser Teil ist für Sie nicht klausurrelevant.“

Bäm! Darauf hast du gewartet. Weniger Stoff und damit weniger lernen in einem eh schon viel zu voll gestopften Studium. Gott sei Dank!

Nicht klausurrelevant. Der Heilige Gral jeder Studentin und jedes Studenten.

Oder?

 

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Was „nicht klausurrelevant“ wirklich bedeutet

Warum freuen wir uns so, wenn es heißt, dass eine Formel oder ein Kapitel nicht klausurrelevant ist?

Klar: Du hast weniger Arbeit und kannst dich mehr auf die schönen Dinge neben dem Studium konzentrieren. Dein Stundenplan ist ohnehin voll genug und die nächste Klausurphase stellt dich auch so vor große Herausforderungen.

Aber treten wir mal einen Schritt zurück.

Haben wir uns unser Studium nicht selbst ausgesucht? Haben wir uns nicht freiwillig dazu entschieden genau diesen Abschluss an dieser Uni zu erwerben?

Ja, haben wir.

Haben wir uns dann nicht auch bewusst für dieses Modul, diesen Lernstoff und diese Prüfung entschieden?

Schon irgendwie.

Aber dann sollten wir doch total motiviert sein und Lust darauf haben viel zu lernen. Oder?

Ja. Sind wir aber nicht. Und es ist nicht unsere Schuld.

Indem du dich über den Satz „Das ist nicht klausurrelevant.“ freust, lehnst du unterbewusst die Inhalte aus deinem Studium ab. Du freust dich, dass du weniger lernen musst.

Und weißt du auch, warum du dich freust? Weil dich die Inhalte nicht ansprechen. Sie begeistern dich nicht. Sie interessieren dich nicht. Du hast das Gefühl, dass du nur für die Prüfung lernst und danach wieder alles vergessen kannst. Klassisches Bulimie-Lernen.

Aber mach dir darüber keinen Kopf. Es wird immer Phasen in deinem Studium geben, in denen dich deine Module nerven und du dich fragst, warum du das Ganze überhaupt machst. Das gehört dazu. Wichtig ist nur, dass du dir darüber im Klaren bist und dich auf die positiven Seiten konzentrierst.

 

Dieser Satz ist besser

Nochmal zusammengefasst: Wenn du dich über „Das ist nicht klausurrelevant.“ freust, lehnst du unterbewusst die Inhalte aus deinem Studium ab und möchtest dir Arbeit sparen.

Dieses Verhalten ist völlig natürlich und klug, denn niemand arbeitet gerne umsonst.

Im Umkehrschluss heißt das aber, dass du unmotiviert bist und keinen nachhaltigen Nutzen in deinem Lernstoff siehst. Und das ist echt bitter.

Das größte Geschenk, das dir dein Dozent in diesem Fall machen kann, ist der folgende Satz:

„Das werden Sie später brauchen.“

Dieser Satz haut alles raus. Es geht nicht mehr nur um deine Prüfung, sondern um deine Zukunft. Keine graue Theorie, keine blöden Nebensächlichkeiten, kein unnützes Klugscheißerwissen.

Du wirst es später brauchen.

Pass jetzt auf, denn es ist wichtig.

Dieser Satz stachelt dich an. Er zeigt dir das Wesentliche und gibt dir Schwung, um dich selbstständig mit einem Thema auseinanderzusetzen, Bücher zu lesen und bis an die Schmerzgrenze zu lernen.

Und zwar freiwillig.

Selbst wenn deine Professorin oder dein Professor sagen würde: „Dieser Teil ist nicht klausurrelevant aber Sie werden Ihn später in Ihrem Leben brauchen.“ wärst du neugierig und würdest dich mit den Inhalten beschäftigen.

Darum ist dieser Satz so stark.

Doch leider hören wir ihn viel zu selten. Oder siehst du das anders?

Tim Reichel


Dr. Tim Reichel ist Autor, Wissenschaftler und der Gründer von Studienscheiss. Seit über 10 Jahren arbeitet er als Fachstudienberater und löst Probleme im Studium. Außerdem hält er Vorträge, veranstaltet Seminare und schreibt Bücher.

  • Ich habe noch von keinem Dozenten die Aussage „Das werden Sie später brauchen!“ gehört. Weder wörtlich noch sinngemäß.

    Dafür einige hundert Male etwas wie „Ich weiß auch, dass das jetzt viel Stoff ist, und Sie das nach der Klausur auch nie wieder brauchen werden… aber für eine gute Note müssen Sie diese Inhalte wissen.“

    Student, 5. Semester, Uni Mannheim

  • „Nicht klausurrelevant“ bedeutet im höheren Studium nichts anderes als „nicht mein Forschungsgebiet, interessiert mich also nicht“. Von dieser Seite ist es also gerade interessant dieses Thema weiter zu ergründen um noch eine andere Sichtweise zu bekommen.

    Trotzdem gibt es Module die nicht freiwillig gewählt wurden Teil des Studiums sind, einem überhaupt nicht liegen und absolut keine Interesse wecken.

    Außerdem pauschal zu sagen „Das werde ich später brauchen“ schon weit hergeholt, viele Themen sind sehr spezifisch gerade was die beruflich Ausrichtung später angeht (selbständig oder angestellt, Forschung oder Praxis, etc.). Wenn man sich im Klaren ist wohin man möchte, kann einen der Satz “nicht klausurrelevant“ eine Menge unnötiger Arbeit ersparen 😉

    LG

    • Hi Ingo,

      vielen Dank für deine Meinung. 🙂

      Aber wenn du dich für einen Studiengang entscheidest, wählst du damit doch implizit alle „festen“ Module. Dass diese dann nicht deinem Interesse entsprechen mag sein zwar sein – es bleibt aber deine eigene Entscheidung. Oder?

      Schöne Grüße
      Tim

  • Ich habe einen Dozent in meine bissherigen drei Semestern gehabt, bzw kann ich ihn auch nächsten Freitag wieder genießen. Er sagt GENAU diesen Satz. ER ist mit seinen geschätzten über 60 Jahren einer der Inspirierendsten Menschen den ich in meinen 27 Lebensjahren kennen lernen durfte. Wenn ich an meine Zukunft als angehender Grundschullehrer denke, dann ist er ein ganz großes Vorbild für mich denn er leistet eine außergewöhnliche didaktische Arbeit. Find ich super das ich deine Meinung lesen konnte! Ich denke jeder der Ehrlich zu sich sein kann findet viel Wahrheit darin.

    Grüße Tim

    • Hi Tim,

      vielen Dank für deinen Erfahrungsbericht!

      Ich finde es ganz wunderbar, dass es solche Dozenten gibt und freue mich, dass du dich davon inspirieren lasssen kannst. Denn genau so etwas brauchen wir an der Hochschule: Typen (männlich und weiblich), die wissen worauf es ankommt, ihre Lebenserfahrung weitergeben und Studenten begeistern können.

      Schön, dass dir mein Artikel gefallen hat. Würde mich freuen, wenn du öfter vorbeischaust. 🙂

      Schöne Grüße
      Tim

  • Also ich MUSS analysis belegen in meinem informatik studium.
    Interessiert mich steine, und das meiste werde ich in der zukunft auch nicht mehr brauchen, wahrscheinlich..

    Durchaus sehr angenehm der satz in solchen fällen.

  • Ich finde gut, dass du das mal sagst! Weil ich mir selbst das immer wieder denke. Ich studiere seit diesem Semester Biologie und klar am Anfang sind viele Fächer wie Physik oder Mathe dabei, die vielleicht nicht jeder unbedingt toll findet. Daher sage ich in diesem Fall: OK, wenn einen das jetzt nicht übermäßig interessiert. Aber wenn man dann auch Zoologie (was wirklich interessant ist!) und Botanik ablehnt, woraus die Biologie schließlich grundsätzlich besteht, dann frage ich mich wieso diese Leute dieses Studium gewählt haben. Denn letztendlich hat man sich für dieses Studium entschieden, weil man sein restliches Leben in diesem Bereich arbeiten möchte. Daher sollte man sich mit seinen Beschwerden und Ähnlichem in bestimmten, essentiellen Fächern eher zurückhalten!

  • Ich studier Lehramt. Und das hab ich schon öfter gehört, oder sinngemäß. Dann sagt der Dozent: „so etwas werden Ihre Schüler Sie später fragen!“ und ich möchte sagen: „Nein! Das ist so theoretisch, da kommt kein Schüler drauf. Vor allem weil es absolut gar nichts mit dem Inhalten des Lehrpläne zu tun hat!“ Aber es wird dann gerne als Begründung für vollkommen abgefahrene Exkursionen weit bin Thema weg genutzt…

    • Hi Lotta,

      oha, du meinst also, dass deine Dozenten den Saz mit Absicht benutzen, um Aufmerksamkeit zu bekommen?!

      Frag in solch einer Situation doch mal nach, ob das ein Erfahrugsbericht ist oder in welchem Lehrplan das steht. Das fände ich echt mutig und und richtig stark von dir. 🙂

      Schöne Grüße
      Tim

  • Als ob das Abfragen von Wissen in einer Klausur dich dazu bringt, auch freiwillig mehr als für die Prüfung nötig ist zu lernen. Das ist immernoch die Entscheidung jedes Einzelnen. Ob nun „klausurrelevant“ oder nicht.

  • Ich studier auch Lehramt und habe mich vorallem dafür entschieden die Kultur und Literatur der englischen Sprache zu studieren. Linguistik ist für mich daher weder interessant noch in irgend einer Weise relevant. Nicht mal fürs Kreuzworträtsel nützt das. Aber unsere Dozenten bilden Anglisten aus. Das wir Lehramtsstudenten auch da sind, dagegen kann halt keiner was machen.

  • Hi Tim,

    … ein relevantes Thema,
    … eine kritische Perspektive,
    … rundum ein interessanter Beitrag.
    … Danke! 😉

    International Business, 7. Semester – Ich habe mich letzte Woche noch gefreut als es hieß „Das ist nicht Klausurrelevant.“ Gleichzeitig aber auch geärgert, dass das das einzige war, was nicht Klausurrelevant war. Und nun hältst du mir einen Spiegel hin und sagst neben der didaktischen Maßnahme vom Dozenten, Stoff einzugrenzen, indirekt, dass ich doch dumm sei, wenn ich mich nicht glücklich schätze, diesen Stoff lernen zu wollen, weil ich mich schließlich bewusst für diesen entschieden habe. – Und bevor du reagierst: Damit gebe ich dir Recht! 😉

    Zwar kann ich mich mit vielerlei Argumenten rausreden oder diskutieren, wie in den vorhergegangen Kommentaren zum Teils bereits getan, z.B. mit…

    – … „Ich habe mir den Studiengang, jedoch nicht spezifisch das Modul oder Thema ausgesucht“ [ODER]
    – … „Das Studium ist Mittel zum Zweck und Fakt ist, dass es vieles gibt, was ich nicht brauche, für den Bereich wo ich hin möchte und einfach nur durchkommen möchte und meine Energie lieber in andere Sachen investieren möchte.“

    … dennoch bleibt dann die Frage des Nutzens, des „Boulimie-Lernens“, also Lernen für die Arbeit und nicht fürs Leben. Am Ende profitiert ich doch schließlich mehr davon, zu lernen, um etwas über die Klausur hinaus damit was anzufangen. Ob ich es später tue, weil es in meinem Wunschberuf verlangt wird oder eben nicht, ist zu dem Zeitpunkt doch sekundär, zumal man zu 98% der Fälle es nicht sagen kann, wo es hingeht, was man braucht und was nicht. Sich jedoch durch eine negative Grundhaltung einzulassen, die mit dem Motto „Weniger Stoff = Weniger lernen = Besser“ einhergeht und sich zusätzlich mögliche fachliche Kompetenzen dadurch zu verbauen, was später möglicherweise noch genutzt wird ist naiv.

    Gruß Marc

    • Hi Marc,

      vielen Dank für deine Meinung! 🙂

      Dass du „dumm“ bist wollte ich mit dem Artikel natürlich nicht herausarbeiten. Ich wollte vielmehr eine andere, nicht so offensichtliche Perspektive zeigen, die eine eher negative Einstellung zum Lernstoff in einen positiven Impuls umwandelt. Großartig, dass das bei dir geklappt hat – behalte diese optimistische Herangehensweise für dein Studium so gut es geht! 🙂

      Schöne Grüße
      Tim

  • Also ich habe mein ganzes Studium gehasst, den mir war von der ersten Sekunde an klar, dass ich gar nichts davon brauchen werde.
    Keine Ahnung warum, aber es wird einfach sehr gerne fernab von jeglicher Realität gelehrt.
    Das wusste ich natürlich, da ich in diesem Bereich vorher eine Ausbildung hatte und nach dem Studium hat es sich auch gezeigt.
    Keine Ahnung wozu dann ein Studium.

  • Ich studiere Pharmazie und die halbe Chemie dahinter wird nicht mehr gebraucht, weil es mittlerweile modernere Methoden gibt. Das Studium müsste eigentlich neu aufgezogen werden, weil es in vielen Bereichen total überholt ist. Wir bekommen oft den Satz zu hören, ’sie müssen das jetzt lernen für die Klausur, aber eigentlich wird das so in der Praxis gar nicht mehr gemacht.‘
    Was soll man davon dann halten? Da bin ich froh, wenn ich Dinge lernen darf, die noch angewendet werden. Und wenn ich Dinge nicht lernen muss, die in der Praxis auch nicht mehr vorkommen, schreie ich Halleluja.
    Es ist total deprimierend, gefühlt so hinterm Mond zu lernen. In anderen Ländern ist das Pharmaziestudium sehr viel weniger chemielastig, weil es einfach auch unnütz ist. Statt viel über Medikamente und deren Wirkung zu lernen und das fast jedes Semester zu lernen und zu haben, lernen wir reine Chemie in fast allen Semestern.

    LG

  • Wichtig ist es Dinge nachlesen zu können und Hilfsmittel bedienen zu können.

    Manche dinge sich nicht wichtig für das Alltagsgeschäft. Sie sind zu selten, sie werden von einer anderen Berufsgruppe professionell ausgeführt, sie sind zu komplex…

    Nicht klausurrelevant kann auch bedeuten das man mehr Zeit hat sich mit relevanten Dingen zu beschäftigen. Oder glaubt irgendjemand das der Citronensäurecyclus irgendwann für einen praktizierende Arzt relevant ist? Eher nicht, außer man geht in die Forschung.

    Priorisieren ist ein wichtiger Prozess. Vielleicht der wichtigste überhaupt. Man kann nicht slles wissen, man kann sich nicht alles merken.

    Es gibt viele Dinge die nicht klausurrelevant waren (Kommunikation) und die ich trotzdem behalten und genutzt habe und es gibt dinge die absolut klausurrelevant waren und die ich für immer vergessen haben *Bye-Bye Krebs-cycle

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