Unfaire Bewertung? So kannst du deine Prüfung erfolgreich anfechten!

Tim Reichel

Hier erfährst du, wie du eine Prüfung erfolgreich anfechten kannst. Unsere Rechtsanwältin erklärt, was bei einer Prüfungsanfechtung beachtet werden muss.

Bild: Ryan McGuire / gratisography.com

2 Punkte zu wenig. Leider nicht bestanden. Da kann man nichts machen.

Falsch!

Wenn du bei einer Prüfung unfair behandelt wurdest oder die Bewertung ungerecht ist, kannst du das Ergebnis anfechten. Ich kenne viele Studentinnen und Studenten, die sich bei einer Klausurbewertung über den Tisch gezogen fühlen, aber nicht genau wissen, was sie dann tun können.

Fakt ist aber: Wenn die Prüfung absolviert wurde und die Note feststeht, ist das Ergebnis noch lange nicht in Stein gemeißelt.

Darum zeige ich dir in diesem Artikel, wie du eine Prüfung erfolgreich anfechten kannst und habe dafür professionelle Unterstützung dabei.

Aber der Reihe nach.

 

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Das musst du beachten, wenn du eine Prüfung anfechten möchtest

Du kennst das bestimmt aus der aktuellen oder aus einer vergangenen Klausurphase: Die Prüfung ist absolviert, die Korrektur steht und die Noten wurden bekannt gegeben.

Aber was machst du, wenn der ganze Lernaufwand umsonst war und du richtig schlecht abgeschnitten hast oder sogar durchgefallen bist?

Richtig, du gehst zur Klausureinsicht und siehst dir die Bewertung an. Wenn du in der Einsicht aber keinen Korrekturfehler findest oder der Prüfer jegliche Kommunikation abblockt, stehst du da und weißt erstmal nicht weiter.

Wenn die Prüfung aber unter fehlerhaften Bedingungen abgelaufen ist oder Fehler bei der Korrektur vorliegen und die Bewertung unfair ist, kannst du einen Schritt weiter gehen und das Prüfungsergebnis offiziell anfechten.

Davon hast du auch bestimmt schon mal gehört und fragst dich jetzt vielleicht:

Wie funktioniert so eine Prüfungsanfechtung eigentlich?

Wir wollten es genau wissen und haben dazu Rechtsanwältin Veronika Wiederhold befragt. In unserem ersten Studienscheiss-Experteninterview erklärt sie, worauf du bei einer Anfechtung achten musst und gibt nützliche Praxistipps.

Vorhang auf.

 

Hallo Frau Wiederhold, Sie sind Fachanwältin für Verwaltungsrecht und kennen sich hervorragend mit sämtlichen Prüfungsangelegenheiten aus. Erleben Sie es eigentlich häufig, dass Studierende ein Prüfungsergebnis anfechten?

Ja, aufgrund meiner beruflichen Spezialisierung erlebe ich das regelmäßig. Viele Studierende sind aber sehr unsicher und kennen ihre Möglichkeiten nur selten in vollem Umfang. Das ist schade.

 

Ist es denn generell sinnvoll die Bewertung einer Prüfung anzufechten oder ist so etwas nur in Ausnahmefällen erfolgreich?

Das kommt natürlich auf den Einzelfall an und hängt davon ab, inwieweit sich Fehler bei der Bewertung finden lassen. Es ist häufig nicht einfach, gegen eine Bewertung vorzugehen, weil jedem Prüfer ein sogenannter Beurteilungsspielraum eingeräumt wird, der nur in engen Grenzen der gerichtlichen Kontrolle unterliegt.

Daneben kann es allerdings auch sinnvoll sein, eine Prüfung aufgrund von Verfahrensfehlern anzugreifen, zum Beispiel wenn die notwendigen Rahmenbedingungen für die Prüfung nicht eingehalten wurden. Liegen solche Verfahrensfehler vor, besteht grundsätzlich das Recht, die fehlerhafte Prüfung zu wiederholen.

Meist lassen sich sowohl Bewertungs- als auch Verfahrensfehler finden, wodurch ein Antrag auf Neubewertung und zusätzlich für den Fall, dass dies nicht gelingt, ein Antrag auf Wiederholung der Prüfung gestellt wird. Oder umkehrt.

 

Müssen Studierende mi irgendwelchen Risiken rechnen, wenn sie die Bewertung einer Prüfung anfechten?

Eine Prüfungsanfechtung birgt nur wenige Risiken. Es ist eher so, dass sich Studierende die Chance auf ein besseres Prüfungsergebnis sichern, da eine Neubewertung einer Prüfungsleistung in der Regel nicht zu einer Herabsetzung der erzielten Note führen darf.

Mitunter besteht das Risiko, dass Fehler nicht gut genug nachgewiesen werden können und die Anfechtung dadurch erfolglos bleibt.

 

Welche sind die häufigsten Fehler, die bei der Durchführung einer Prüfung oder bei der Korrektur auf Seiten des Prüfers gemacht werden? Geben Sie uns bitte ein paar Beispiele.

Es gibt eine Vielzahl an Fehlerquellen und schwerwiegenden Gründen, die zu einer Neubewertung oder Wiederholung der Prüfung führen können.

Häufige Fehler bei der Bewertung sind:

  • Der Antwortspielraum des Prüflings wurde nicht beachtet, also wenn die Lösung fachlich richtig oder zumindest vertretbar ist, jedoch als falsch bewertet wurde.
  • Nicht alle Tatsachen, die für die Prüfungsentscheidung relevant sind, wurden von den Prüfern wahrgenommen und berücksichtigt.
  • Sachfremde Erwägungen flossen in die Bewertung ein, zum Beispiel eine Note „mangelhaft“ wurde damit begründet, dass sich der Studierende gegenüber dem Professor unhöflich verhielt.
  • Es wurde gegen das Gleichbewertungsgebot verstoßen.
  • Prüfungsfragen wurden fehlerhaft gestellt, was insbesondere auch bei Multiple-Choice-Fragen vorkommt.
  • Folgefehler wurden in keiner Weise berücksichtigt.
  • Es wurde gegen das Zwei-Prüfer-Prinzip verstoßen, was besagt, dass insbesondere bei dem letzten Wiederholungsversuch eine Prüfung nicht nur von einem einzigen Prüfer bewertet werden darf.
  • Der Prüfer handelte nicht eigenverantwortlich, zum Beispiel wenn sich der Prüfer auf die Bewertung eines anderen Prüfers verließ.
  • Der Prüfer war befangen.

Häufige Fehler im Verfahren sind:

  • Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Chancengleichheit nach Artikel 3 GG.
  • Unzumutbare Prüfungsbedingungen, zum Beispiel durch störende Einwirkungen wie Lärm.
  • Unzuständigkeit bzw. Ungeeignetheit von Prüfern.
  • Nichteinhalten bzw. Nichtausschöpfen der Prüfungszeit.
  • Unerkannte Prüfungsunfähigkeit, zum Beispiel wegen unerkannter Krankheit.
  • Verstöße gegen die jeweiligen konkreten Prüfungsvorschriften.

Die Auflistung ist natürlich nicht vollständig. Es gibt noch viele weitere Gründe, die allerdings fundiert dargelegt und nachgewiesen werden müssen.

 

Welche Fehler sollten Studierende vermeiden, wenn Sie die Bewertung einer Prüfung anfechten möchten?

Studierende sollten ihrer sogenannten Rügeobliegenheit nachkommen, das heißt, sie sollten Verfahrensfehler grundsätzlich unverzüglich nachweisbar rügen. Bei Kenntnis von einem Verfahrensfehler im Vorfeld der Prüfung, insbesondere bei Besorgnis der Befangenheit hinsichtlich eines Prüfers, hat die Rüge auch bereits im Vorfeld der Prüfung zu erfolgen.

Bei Störungen während einer schriftlichen Prüfung sollte die Rüge in das Prüfungsprotokoll aufgenommen werden. Während einer mündlichen Prüfung darf sich der Prüfling mit Beanstandungen zurückhalten, um vor den Prüfern nicht als „Querulant“ zu erscheinen.

Außerdem sollten Studierende nach jeder mündlichen oder praktischen Prüfung unverzüglich eine schriftliche Begründung der Prüfungsentscheidung verlangen.

Weiterhin müssen Studierende unbedingt alle Fristen und Formvorgaben einhalten, zum Beispiel Ausschlussfristen oder Fristen für Rechtsbehelfe bzw. Rechtsmittel. Ganz wichtig: Eine E-Mail erfüllt nicht die Anforderungen an das Erfordernis „schriftlich“.

 

Wie ist das formale Vorgehen, wenn ein Student juristisch gegen eine Hochschulprüfung vorgehen möchte? Bitte skizzieren Sie kurz die wichtigsten Schritte.

Im Verfahren einer Prüfungsanfechtung gibt es Unterschiede zwischen den einzelnen Bundesländern und Hochschulen. Im Allgemeinen kann man sich aber an der folgenden Struktur orientieren:

  1. Anfertigung eines Gedächtnisprotokolls, insbesondere bei mündlichen und praktischen Prüfungen,
  2. Antrag auf Akteneinsicht gegenüber der Prüfungsbehörde,
  3. Antrag auf schriftliche Begründung der Prüfungsentscheidung gegenüber der Prüfungsbehörde (dieser Antrag sollte nach einer mündlichen Prüfung sogar unverzüglich erfolgen!),
  4. Schriftliche Darstellung der Bewertungs- und Verfahrensfehler gegenüber der Prüfungsbehörde,
  5. Form- und fristgemäßes Einlegen von Widerspruch bzw. Klage bzw. gerichtlichem Eilverfahren. Die Wahl hängt ab von der jeweiligen Strategie und dem jeweiligen Bundesland.

 

Wie geht es nach einer erfolgreichen Anfechtung weiter?

Das kommt darauf an, auf welcher Grundlage die Anfechtung erfolgreich war. Eine Prüfungsanfechtung wegen Bewertungsfehlern führt grundsätzlich zur Neubewertung der Prüfung, eine Prüfungsanfechtung wegen Verfahrensfehlern führt grundsätzlich zu einer Wiederholung der fehlerhaften Prüfung. Eine Neubewertung wird dabei grundsätzlich durch denselben Prüfer vorgenommen. Ausnahme: bei Befangenheit des vorherigen Prüfers.

 

Wann lohnt sich eine Prüfungsanfechtung nicht?

Eine Prüfungsanfechtung ist in der Regel nicht erfolgreich, wenn keine Bewertungs- oder Verfahrensfehler ersichtlich sind.

Im Übrigen: Eine Prüfungsanfechtung kann sich auch lohnen, wenn noch weitere Wiederholungsmöglichkeiten bestehen, da später oftmals wegen Frist- oder Zeitablaufs nicht mehr das Ergebnis der vorherigen Prüfungsversuche angegriffen werden kann, obwohl diese Prüfungsversuche manchmal noch bessere Angriffspunkte bieten als der letzte Prüfungsversuch. Daher sollte zumindest durch das bloße Einlegen eines Widerspruchs die Anfechtbarkeit „gesichert“ werden.

 

Was würden Sie unzufriedenen Studierenden raten? Sollte immer sofort ein Anwalt eingeschaltet werden oder gibt es noch andere Wege?

Ich denke nicht, dass Studierende immer sofort einen Anwalt beauftragen oder eine Klage in Erwägung ziehen sollten. Für den Ernstfall empfehle ich aber, so schnell wie möglich ein anwaltliches Beratungsgespräch wahrzunehmen, damit die Erfolgsaussichten schon einmal grob eingeschätzt werden können und eine Strategie gefunden werden kann. Damit lassen sich weitere Probleme vermeiden und am Ende sogar Kosten sparen.

Dabei sollte unter anderem auch geklärt werden, ob zunächst nur Rechte gesichert werden sollen oder ob der Rechtsanwalt das Prüfungsergebnis als Bevollmächtigter gegenüber der Prüfungsbehörde direkt anfechten soll. Es besteht zudem die Möglichkeit, dass der Rechtsanwalt lediglich „Zuarbeit“ im Hintergrund vornimmt und der Studierende ansonsten selbst gegenüber der Hochschule aktiv wird.

 

Zum Abschluss: Können Sie sich an einen kuriosen Fall einer Prüfungsanfechtung erinnern? Beschreiben Sie bitte kurz.

Mir sind zwei Situationen besonders in Erinnerung geblieben.

Eine Studierende legte gegen das Nichtbestehen einer schriftlichen Anatomieprüfung, Studiengang Humanmedizin, Widerspruch ein. Ihr fehlten 3 Punkte zum Bestehen. Sie nahm Akteneinsicht und hatte mehrere Termine an dem Lehrstuhl, um die Prüfer davon zu überzeugen, dass sie doch bestanden haben müsste. Das ganze Verfahren zog sich über mehrere Monate, aber es zeichnete sich kein Erfolg ab. Kaum hatte der Professor das anwaltliche Schreiben gelesen, fand er noch insgesamt 4 Punkte und die Arbeit war bestanden.

Der andere Fall: Eine Bachelor-Arbeit wurde als nicht bestanden bewertet. Hauptproblem dabei war die Befangenheit beider Prüfer. Der Fall wurde schließlich vor Gericht verhandelt, wobei der Studierende und die beiden Prüfer zur Sache befragt wurden. Es bestätigte sich: Beide Prüfer hatten gelogen. Das Gericht bemerkte dies – insbesondere aufgrund der Körpersprache und der Satzbildung der Prüfer, gerade auch bei unseren Nachfragen – und der Studierende bekam seine Neubewertung. Natürlich durch einen anderen Prüfer.

 

Im Interview

Rechtsanwältin Veronika Wiederhold

Veronika Wiederhold ist Fachanwältin für Verwaltungsrecht mit der Spezialisierung auf Hochschul- und Prüfungsrecht. Ihre Kanzlei in Dresden berät und vertritt Studierende deutschlandweit bei vielen rechtlichen Problemen. In unserem Blog gibt sie Tipps und teilt ihre langjährige Berufserfahrung.

 

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Fazit

In diesem Artikel haben wir dir gezeigt, was du tun kannst, wenn du unfair behandelt wurdest und eine Prüfung anfechten möchtest.

Falls du also nicht einfach nur faul gewesen bist, sondern wirklich einen triftigen Grund dazu hast die Prüfung anzufechten, solltest du von deinem Recht Gebrauch machen und dich wehren. Dazu hat dir unsere Expertin die wichtigsten Hintergründe erklärt und ein paar hilfreiche Praxistipps gegeben, die man sonst vergeblich sucht.

Die grundsätzlichen Rahmenbedingungen für das Anfechten einer Prüfung findest du in deiner Prüfungsordnung. Wenn du weitere Hilfe brauchst und auf Nummer Sicher gehen möchtest, kannst du darüber nachdenken, eine anwaltliche Beratung in Anspruch zu nehmen.

Ich hoffe, wir konnten dir zeigen, dass du unfairen Professoren im Studium nicht wehrlos ausgeliefert bist. Aus dir soll kein Querulant werden, aber manchmal ist es wichtig, für sein Recht zu kämpfen und sich nicht von ungerechten Prüfern herumschubsen zu lassen. Und auch mal zurückzuschubsen.

Tim Reichel


Dr. Tim Reichel ist Autor, Wissenschaftler und der Gründer von Studienscheiss. Seit über 10 Jahren arbeitet er als Fachstudienberater und löst Probleme im Studium. Außerdem hält er Vorträge, veranstaltet Seminare und schreibt Bücher.

  • Danke für den Informativen Beitrag! Wie ist das bei Formfehlern in der Klausur? Zum Beispiel wenn auf der Klausur 90 Minuten Bearbeitungszeit steht während die tatsächliche Zeit, wie in der Modulbeschreibung beschriebene, 120 Minuten sind?

    Danke

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