In der Prüfung geschummelt? Das kannst du tun, wenn dir ein Täuschungsversuch vorgeworfen wird!

Tim Reichel

Hand aufs Herz: Hast du in der Klausur schon einmal versucht, einen Blick auf den Zettel deines Nachbarn zu werfen? Ein Täuschungsversuch kann...

Bild: Ryan McGuire / gratisography.com

Hand aufs Herz: Hast du in der Klausur schon einmal versucht, einen Blick auf den Zettel deines Nachbarn zu werfen?

Täuschungsversuche sind vielfältig; vom Spicker, über Plagiate bis hin zu Personen, die mit gefälschten Studentenausweisen aus „Freundschaft“ oder gegen Bezahlung Klausuren von anderen schreiben…

Richtig ärgerlich wird es aber erst dann, wenn du nichts Illegales getan hast und dir zu Unrecht ein solcher Betrug vorgeworfen wird.

Was genau ein Täuschungsversuch ist und wie du vorgehen kannst, falls du zu Unrecht der Täuschung bezichtigt wirst, erfährst du in diesem Experteninterview mit Rechtsanwalt Lars Brettschneider.

 

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Hallo Herr Brettschneider, als Fachanwalt für Verwaltungsrecht mit dem Schwerpunkt Prüfungsrecht kennen Sie sich bestens mit rechtlichen Fragen im Studium aus – zum allgemeinen Verständnis: Was versteht man unter einem Täuschungsversuch?

Nach der gängigen Rechtsprechung versteht man unter einem Täuschungsversuch, dass der Prüfling  eine nach regulären Bedingungen eigenständig erbrachte Prüfungsleistung vorspiegelt, während er tatsächlich unerlaubte Hilfen in Anspruch genommen hat.

 

Können Sie einige Beispiele dazu nennen? Welche Arten von Täuschungsversuchen gibt es?

Nun, da kommt zunächst einmal die Verwendung unerlaubter Hilfsmittel, wie z.B. der klassische Spickzettel oder unerlaubte Markierungen in zur Prüfung zugelassenen Hilfsmitteln in Betracht, aber auch die Hinzuziehung dritter Personen.

Letzteres kommt natürlich insbesondere bei Hausarbeiten zum Tragen, kann aber auch bei Klausuren eine Rolle spielen, wenn der Prüfling z.B. von der Toilette aus unerlaubte Telefonate mit Dritten führt, also quasi den nicht vorgesehenen Telefonjoker in Anspruch nimmt. Auch das Abschreiben beim Tischnachbarn ist natürlich ein Täuschungsversuch, ebenso wie bei wissenschaftlichen Arbeiten die Fertigung von Plagiaten.

Letzteres hat seit der Guttenberg-Affäre eine besondere Brisanz gewonnen und wird von den Universitäten stark verfolgt. Dabei versteht man unter der Fertigung von Plagiaten, dass Passagen oder Gedanken fremder Quellen in die eigene Arbeit übernommen werden, ohne dass dies hinreichend durch eine Fußnote und – bei wörtlicher Übernahme – Anführungsstriche gekennzeichnet wird.

Letztlich gibt es aber bei der Frage nach den Arten von Täuschungsversuchen keine abschließende Antwort. Die Kreativität der Prüflinge ist immer wieder erstaunlich, so dass ständig neue Täuschungshandlungen auf mich zukommen.

 

Was sind üblicherweise die Konsequenzen, wenn Studierende während einer Prüfung betrügen? Gibt es dazu eine generelle Richtlinie oder entscheidet jede Hochschule selbst über die Konsequenzen?

Es gibt keine generell geltende Sanktionsordnung. Vielmehr ist in den jeweiligen Prüfungsordnungen geregelt, welche Sanktionen bei welchen Täuschungsversuchen gelten. Je nach Prüfungsordnung und Schwere der Täuschungshandlung reicht dies von bloßen Verwarnungen über die Anordnung der Prüfungswiederholung, der Erklärung der betroffenen Prüfungsleistung für ungenügend bis hin zur Erklärung der gesamten Prüfung als nicht bestanden. Vereinzelt kann es sogar dazu kommen, dass der Prüfling von einer evtl. noch möglichen Wiederholungsprüfung ausgeschlossen wird.

Einzelne Hochschulgesetze bestimmen ergänzend noch, dass der Täuschungsversuch eine Ordnungswidrigkeit darstellt, die zusätzlich noch mit einem Bußgeld geahndet werden kann.

 

Was können Studierende tun, denen zu Unrecht ein Täuschungsversuch vorgeworfen wird? Welche rechtlichen Möglichkeiten bestehen?

Wenn einem Prüfling zu Unrecht ein Täuschungsversuch vorgeworfen wird, muss man zunächst differenzieren:

Bevor eine der oben genannten Sanktionen verhängt wird, muss zunächst dem Prüfling Gelegenheit gegeben werden, sich zu der Sache zu äußern. In diesem Stadium kann der Prüfling folglich seine Sicht der Dinge darlegen und evtl. den entstandenen Verdacht gerade rücken.

Kommt es dann dennoch zu einer der beschriebenen Sanktionen, kann der Prüfling gegen diese Entscheidung der Prüfungsbehörde – je nach Landesrecht – zunächst Widerspruch oder sofort Klage erheben. Die Sache wird dann von einer anderen Abteilung der Verwaltung bzw. bei einer Klage vom Gericht überprüft.

Dabei ist aber wichtig, dass sich die Behörde auf den Beweis des ersten Anscheins berufen kann. Dies bedeutet, dass sie bei Vorliegen bestimmter Tatsachen auf einen Täuschungsversuch schließen darf, so z.B. in der Regel, wenn der Prüfling unerlaubte Hilfsmittel mit in die Prüfung nimmt. Es obliegt dann dem Prüfling zu beweisen, dass er in Wirklichkeit nicht täuschen wollte, also z.B. die Markierungen im Text nicht zum Täuschen gefertigt wurden, sondern im Laufe des Studiums und nur versehentlich nicht entfernt wurden. In der Praxis stellt sich das als äußerst schwierig dar.

 

Wie sollten Studierende in dieser Situation genau vorgehen? Bitte beschreiben Sie die einzelnen Schritte.

Es empfiehlt sich aus meiner Sicht zumeist folgendes Vorgehen, wenn man mit dem Vorwurf eines Täuschungsversuchs konfrontiert wird:

  • Fertigung eines eigenen Protokolls über den Geschehensablauf, damit keine Details in Vergessenheit geraten.
  • Klärung, ob es Zeugen für den Vorfall gibt, die zur eigenen Entlastung beitragen können.
  • Keine eigene Stellungnahme ohne anwaltlichen Rat (damit man nicht wohlmöglich durch gutgemeinte, aber im Ergebnis aus juristischer Sicht eher schlechte Aussagen die Situation noch verschlechtert).

 

Wann lohnt es sich, einen Anwalt zu engagieren?

Anknüpfend an das Vorangesagte lohnt es sich meines Erachtens immer beim Vorwurf eines Täuschungsversuchs einen Rechtsanwalt zu engagieren. Ähnlich wie in einem Strafverfahren ist es zur Erzielung optimaler Ergebnisse dringend erforderlich, dass eine hinreichende Distanz und Objektivität zu den erhobenen Vorwürfen besteht. Diese hat der selbst Betroffene in der Regel nicht.

So kommt es oftmals dazu, dass gutgemeinte Äußerungen des Betroffenen im Ergebnis die Lage eher verschlechtern, da evtl. Dinge vorgetragen werden, welche z.B. der Behörde noch gar nicht bekannt sind (was der Rechtsanwalt durch eine Akteneinsicht herausfindet), oder Beweggründe genannt werden, die zwar nach Auffassung des Prüflings zur Entlastung beitragen sollen, aber in der Rechtsprechung eher als Beleg der Täuschungsabsicht oder als Beleg für eine besondere Schwere der Verfehlung gewertet werden.

Vor diesem Hintergrund ist dem Prüfling dringend zu raten, selbst keine Aussage zu machen sondern einen Rechtsanwalt mit der eigenen Vertretung zu beauftragen. Dabei sollte allerdings darauf geachtet werden, dass es sich um einen im Prüfungsrecht spezialisierten Rechtsanwalt handelt, da ansonsten die erforderlichen prüfungsrechtlichen Spezialkenntnisse fehlen.

 

Welche Risiken bestehen, wenn Studierende einen Täuschungsversuch anfechten?

Das einzige Risiko des anfechtenden Prüflings ist das Kostenrisiko. Im Falle des Unterliegens kommen auf ihn Rechtsanwalts- und im Klageverfahren auch Gerichtskosten zu. Hier sollte der Prüfling im Erstgespräch mit seinem Rechtsanwalt nachfragen und sich über das konkrete Kostenrisiko belehren lassen.

 

Gibt es einen kuriosen Fall (bzgl. eines Täuschungsversuchs), den Sie nie vergessen werden? Beschreiben Sie bitte kurz.

Ich habe einmal einen Mandanten vertreten, welchem ein Täuschungsversuch in der mündlichen Prüfung des zweiten juristischen Examens vorgeworfen wurde.

Dazu muss man wissen, dass die mündliche Prüfung aus einem Prüfungsgespräch und vorab einem sogenannten Aktenvortrag besteht. Für diesen bekommen die Prüflinge eine Stunde vor Prüfungsbeginn einen Aktenauszug ausgehändigt, den sie dann eine Stunde lang bearbeiten können, um den Inhalt und die eigene Lösung sodann vorzustellen.

In der Ladung zur mündlichen Prüfung war darauf hingewiesen worden, dass die Prüflinge zur Fertigung von Notizen unliniertes Papier verwenden dürften, welches sie selbst mitzubringen hätten.

Da der Mandant solches Papier nur lose hatte und vermeiden wollte, dass es zerknickt, hat er es zum Transport in seinen Collegeblock gelegt. Im Vorbereitungsraum hat er sodann seine Unterlagen ausgepackt. Dabei hat er den Collegeblock aus seiner Tasche genommen, um die Blätter aus ihm herauszunehmen.

Anschließend wollte er den Block wieder in die Tasche packen und diese auf den dafür vorgesehenen Platz, welcher sich nicht an seinem Arbeitsplatz befand, stellen. In dieser Situation hat aber die Aufsicht sich den Block näher angeschaut und festgestellt, dass sich in ihm noch Mitschriften aus dem Referendariat befanden, woran der Mandant nicht mehr gedacht hatte.

Dem Mandanten wurde daraufhin ein Täuschungsversuch durch das zur Täuschung gedachte Mitführen unerlaubter Hilfsmittel vorgeworfen und der Aktenvortrag mit ungenügend bewertet.

Das Problem dieses Falles lag in der oben schon erwähnten Tatsache, dass sich die Behörde auf den Beweis des ersten Anscheines berief (wer unerlaubte Hilfsmittel mit sich führt, will diese auch benutzen) und es uns oblag, das Gegenteil zu beweisen. Hier ging es vor allem um die Frage, ob das Vorbereiten des Arbeitsplatzes schon von diesem Anscheinsbeweis erfasst wird.

Das Fazit aus diesem Fall ist aber: Jeder Prüfling sollte strikt darauf achten, dass er zur Prüfung (insbesondere in den Prüfungsraum) nur solche Sachen mitnimmt, die erlaubt sind. Alles andere sollte zu Hause bleiben oder zumindest nicht mit in den Prüfungsraum genommen werden.

 

Im Interview

Rechtsanwalt und Fachanwalt Lars Brettschneider

Lars Brettschneider ist Fachanwalt für Verwaltungsrecht mit dem Schwerpunkt Prüfungsrecht. Er ist unser Spezialist für Fragen zu den Themen Prüfungsrecht, Hochschulrecht und Schulrecht. Seit vielen Jahren vertritt Lars Brettschneider Studenten deutschlandweit in rechtlichen Angelegenheiten.

 

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Fazit

In diesem Artikel haben wir dir gezeigt, dass Täuschungsversuche vielfältig sind und zu ernsten Konsequenzen für dich und dein Studium führen können. Was du im Falle einer Beschuldigung tun kannst, hat dir unser Rechtsexperte mit einfachen Worten erklärt.

Bei einem Täuschungsversuch nimmt ein Prüfling unerlaubte Hilfen in Anspruch und spiegelt eine nach regulären Bedingungen eigenständig erbrachte Prüfungsleistung vor. Dies gilt für alle Prüfungsleistungen wie Klausuren, mündliche Prüfungen, Seminararbeiten oder Abschlussarbeiten – eben alle Prüfungsleistungen, mit denen du an der Uni konfrontiert wirst.

Genauso vielfältig wie die Täuschungsversuche selbst, können die daraus folgenden Konsequenzen und Sanktionen sein: von einer einfachen Verwarnung bis hin zur sofortigen Exmatrikulation und einer Strafanzeige wegen Betruges.

Sollte dir ein Täuschungsversuch zu Unrecht vorgeworfen werden, empfiehlt es sich, einen spezialisierten Anwalt einzuschalten. So läufst du nicht Gefahr, die Situation durch Äußerungen oder Taten noch zu verschlimmern.

Tim Reichel


Dr. Tim Reichel ist Autor, Wissenschaftler und der Gründer von Studienscheiss. Seit über 10 Jahren arbeitet er als Fachstudienberater und löst Probleme im Studium. Außerdem hält er Vorträge, veranstaltet Seminare und schreibt Bücher.

  • Ich hatte mal den Spaß, dass mir und meinem Bruder ein Täuschungsversuch vorgeworfen wurde, weil wir beide eine Hausarbeit im gleichen Fach abgegeben haben. Da wir zwei Punkte ähnlich hatten und den selben Nachnamen wurde darauf geschlossen, dass wir getäuscht haben. Wir haben nachgewiesen, dass wir an verschiedenen Orten geschrieben haben, nicht über die Arbeit geredet haben etc., aber half nicht. Schade, aber geht nur beim nächsten Mal vorsichtiger und nie mehr zur gleichen Zeit im selben Fach eine Arbeit schreiben.

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