Arbeitszeugnis für Studenten – Warum du eines haben solltest und worauf du achten musst

Tim Reichel

Arbeitszeugnis für Studenten

Bild: Ryan McGuire / gratisography.com

68 Prozent der Studenten in Deutschland arbeiten neben ihrem Studium.

Sie arbeiten als studentische Hilfskräfte an Hochschulen und Unis, als Werkstudenten in lokalen Unternehmen, geben Nachhilfe oder kellnern in Bars und Restaurants. Und naturgemäß wechseln sie ihre Jobs recht häufig.

Nur denken sie dabei selten daran, sich ein Arbeitszeugnis ausstellen zu lassen.

Wenn du selbst auch zu den arbeitenden Studenten gehörst, begegnet dir die Frage nach dem Arbeitszeugnis unweigerlich irgendwann. Du bist dir unsicher, für welchen deiner Jobs du dir tatsächlich die Mühe machen und nach einem Arbeitszeugnis fragen sollst. Vielleicht hast du dich auch nicht im Guten mit deinem Arbeitgeber getrennt und weißt gar nicht, ob du überhaupt ein Zeugnis haben möchtest. Natürlich kann es umgekehrt auch vorkommen, dass dein Arbeitgeber dein Zeugnis nicht ausstellen mag oder du ewig darauf warten musst – bis es irgendwann ganz in Vergessenheit gerät.

Doch keine Sorge – mit professioneller Hilfe von Fachanwältin Veronika Wiederhold klären wir im Interview alle Fragen zum Arbeitszeugnis für Studenten. Du lernst dabei, für welche Jobs, wann und warum du ein Zeugnis beantragen solltest. Auch über Rechte und Pflichten von dir und deinem Arbeitgeber in Sachen Zeugnis klärt Frau Wiederhold auf.

 

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Hallo Frau Wiederhold. Vielen Dank, dass Sie uns wieder einmal mit Rat und Tat zur Seite stehen. Heute wollen wir von Ihnen alles über Arbeitszeugnisse wissen. Sollten denn auch Studenten im Nebenjob bereits ein Zeugnis verlangen?

Ein Student im Nebenjob sollte immer dann ein Arbeitszeugnis verlangen, wenn die Dokumentation der konkreten Tätigkeit für den angestrebten beruflichen Werdegang von Bedeutung ist, also durch das Zeugnis in dem angestrebten Bereich besonderes Engagement und Praxiserfahrungen nachgewiesen werden kann. Wenn beispielsweise ein Jura-Student während seines Studiums in einer Rechtsanwaltskanzlei tätig war, ein Germanistik-Student in einem Verlagsbüro, ein Medizin-Student in einem Krankenhaus etc., sollte er sich dies bestätigen lassen.

 

Ist ein Arbeitgeber verpflichtet, ein Zeugnis auszustellen und was müssen Studenten tun, um ein Arbeitszeugnis zu bekommen?

Wenn ein Student seinen Arbeitgeber um ein Arbeitszeugnis bittet, muss dieser dem Studenten ein Arbeitszeugnis ausstellen. Soll das Zeugnis nicht nur Angaben zur Person sowie zur Art und Dauer des Arbeitsverhältnisses enthalten (einfaches Arbeitszeugnis), sondern auch Angaben zu Führung und Leistung des Studenten (qualifiziertes Arbeitszeugnis), muss der Student dies ausdrücklich verlangen.

Zu beachten ist, dass der Anspruch auf Erteilung eines Arbeitszeugnisses vertraglichen Ausschlussfristen unterliegt. Sofern der Arbeitsvertrag oder ein anzuwendender Tarifvertrag zum Beispiel vorsieht, dass Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis binnen drei Monaten ab Beendigung des Arbeitsverhältnisses schriftlich geltend zu machen sind, aber diese Frist bereits verstrichen ist, ist der Zeugnisanspruch erloschen.

 

Gibt es aus rechtlicher Sicht generelle Vorgaben, wie ein qualifiziertes Arbeitszeugnis auszusehen hat?

Ein qualifiziertes Arbeitszeugnis hat grundsätzlich folgenden Aufbau:

  1. Überschrift und Eingangsformel
  2. Dauer des Arbeitsverhältnisses
  3. Aufgabenbeschreibung
  4. Leistungsbeurteilung
  5. Herausragende Erfolge oder Ergebnisse
  6. Zusammenfassende Leistungsbeurteilung
  7. Führungsleistung
  8. Verhaltensbeurteilung
  9. Sozialverhalten
  10. Beendigungsmodalität
  11. Schlussformel
  12. Ort, Datum, Unterschrift.

Das Arbeitszeugnis sollte stets a) auf dem üblichen Firmenbriefbogen des Arbeitgebers abgefasst, b) nicht gefaltet und c) handschriftlich unterzeichnet werden. Andernfalls könnte angenommen werden, dass der Zeugnisersteller sich vom Inhalt des Zeugnisses distanziert.

 

Was hat der Arbeitgeber bei der Ausstellung eines Arbeitszeugnisses zu beachten?

Der Arbeitgeber hat insbesondere folgende Grundsätze zu beachten:

Grundsatz der Zeugniswahrheit:

Im Arbeitszeugnis müssen alle wesentlichen Tatsachen sowie Bewertungen enthalten sein, die für die Gesamtbeurteilung von Bedeutung sind.

Grundsatz der Zeugnisklarheit:

Das Arbeitszeugnis muss eindeutig formuliert werden. Verschlüsselungen durch mehrdeutige Ausdrücke, die als negative Beurteilungen aufgefasst werden können, sowie widersprüchliche Formulierungen sind unzulässig. Verboten sind außerdem Geheimzeichen. Geheimzeichen sind zum Beispiel: ein Strich neben der Unterschrift = Gewerkschaftszugehörigkeit, ein Häkchen nach rechts = rechts stehende Partei, ein Häkchen nach links = links stehende Partei.

Grundsatz der wohlwollenden Beurteilung:

Der Arbeitgeber ist verpflichtet, beim Ausstellen des Arbeitszeugnisses den wohlwollenden Maßstab eines verständigen Arbeitgebers zugrunde zu legen.  Beispielsweise ist grundsätzlich nur auf das Verhalten des Arbeitnehmers im Arbeitsverhältnis einzugehen, nicht auf privates oder außerdienstliches Verhalten. Krankheiten dürfen nur im Ausnahmefall erwähnt werden, gleiches gilt für die Gründe für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Ausfallzeiten (z.B. Elternzeit) sind nur zu erwähnen, wenn sie eine wesentliche Unterbrechung der Beschäftigung darstellten und ohne ihre Erwähnung eine Beurteilung nicht möglich wäre. Abmahnungen dürfen nicht erwähnt werden, ebenso wenig Schwangerschaft, Mutterschutz, Vergütung und Wettbewerbsverbote. Bei der Schlussformulierung ist der Arbeitgeber allerdings nicht verpflichtet, persönliche Empfindungen wie beispielsweise Dank und Wünsche auszudrücken.

 

Welche typischen Verschlüsselungstechniken gibt es bei Arbeitszeugnissen?

Insgesamt gibt es sieben typische Verschlüsselungstechniken. Diese führen häufig zu Geheimcodes in Arbeitszeugnissen. Im Einzelnen handelt es sich um folgende Techniken:

Positiv-Skala-Technik:

Anstelle der Schulnoten „sehr gut“ bis „mangelhaft“ treten im Arbeitszeugnis feiner differenzierte „gute“ Einschätzungen. Bekannt ist dabei insbesondere die Zufriedenheitsskala. Diese lautet in der Regel wie folgt:

  • Note 1 = „stets zu unserer vollsten Zufriedenheit“
  • Note 2 = „stets zu unserer vollen Zufriedenheit“ oder „zu unserer vollsten Zufriedenheit“
  • Note 3 = „zu unserer vollen Zufriedenheit“
  • Note 4 = „zu unserer Zufriedenheit“
  • Note 5 = z.B. „im Allgemeinen zu unserer Zufriedenheit

Leerstellentechnik:

Anstelle einer negativen Aussage wird im Arbeitszeugnis überhaupt keine Aussage getroffen. Ein klassisches Beispiel lautet: „Das Verhalten gegenüber Kollegen war einwandfrei.“ Hier fehlt eine Aussage über das Verhalten gegenüber Vorgesetzten.

Reihenfolgetechnik:

Bei dieser Methode werden unwichtige oder weniger bedeutsame Angaben im Arbeitszeugnis vor wirklich wichtige Aussagen gesetzt. Auch hier wieder ein typisches Beispiel: „Sein Umgang mit Kollegen und Vorgesetzten war vorbildlich.“ Wenn die Vorgesetzten erst nach den Kollegen genannt werden, deutet dies auf einen Konflikt mit den Vorgesetzten hin. Bei der Reihenfolgetechnik werden teilweise auch Belanglosigkeiten vor Haupttätigkeiten gesetzt oder die Verhaltensbeurteilung erfolgt vor der Leistungsbeurteilung.

Knappheitstechnik:

Ein sehr knappes Arbeitszeugnis ist ein deutliches Zeichen für eine Abwertung.

Ausweichtechnik:

Bei der Ausweichtechnik wird Unwichtiges oder Selbstverständliches im Arbeitszeugnis anstelle von Wichtigem besonders hervorgehoben, zum Beispiel „vorbildliche Pünktlichkeit“.

Andeutungstechnik:

Doppeldeutige Formulierungen im Arbeitszeugnis lassen ebenfalls negative Rückschlüsse zu. Wendungen wie „Er hatte Gelegenheit“ bedeuten, dass die Gelegenheit nicht genutzt wurde; Formulierungen wie „Sie war bereit“ bedeuten, dass nur Bereitschaft, aber keine entsprechende Fähigkeit vorhanden war. Ferner fallen Passivkonstruktionen (Beispiel: „Er wurde beschäftigt“), Negationsmethoden (Beispiel: „Sie hatte nicht unbedeutende Erfolge“) oder negativ besetzte Worte (Beispiel: „tadellos“) unter die Andeutungstechnik.

Widerspruchstechnik:

Zur Verschlüsselung werden auch Widersprüche verwendet. Ein üblicher Widerspruch ergibt sich, wenn bei einem an sich guten Zeugnis am Schluss eine Dankes- und Bedauernsformel fehlt.

 

Haben Sie noch ein paar Beispiele für Geheimcodes in Arbeitszeugnissen?

Geheimcodes in Arbeitszeugnissen sind zum Beispiel noch:

  • „Bei unseren Kunden war er schnell beliebt.“
    Bedeutung: Er hat keine Verhandlungsstärke.
  • „Sie scheidet im beiderseitigen Einvernehmen aus unserem Unternehmen aus.“
    Bedeutung: Der Arbeitgeber hat gekündigt.
  • „Er stand stets voll hinter uns.“
    Bedeutung: Er war betrunken.
  • „Wir wünschen ihr alles Gute und viel Erfolg.“
    Bedeutung: Sie hatte keinen Erfolg.

 

Was können Studenten tun, wenn der Arbeitgeber ein schlechtes Arbeitszeugnis oder ein Zeugnis mit Geheimcodes ausgestellt hat?

Wenn ein Arbeitgeber zu Unrecht ein schlechtes Arbeitszeugnis ausgestellt hat oder ein Zeugnis mit Geheimcodes, hat der Student gegenüber dem Arbeitgeber einen Anspruch auf eine Zeugnisberichtigung. Ist der Arbeitgeber nicht zur Zeugnisberichtigung bereit, kann eine solche auch anwaltlich eingefordert werden. Sofern der Arbeitgeber auch dann noch nicht zur Ausstellung bereit ist, sind gerichtliche Schritte in Erwägung zu ziehen. Aufzupassen ist auch hier auf eventuelle vertragliche Ausschlussfristen.

Wenn der Student eine bessere Beurteilung wünscht, trägt er vor Gericht die Beweislast, sofern er eine bessere als eine mittlere Note in der Zufriedenheitsskala (= „zur vollen Zufriedenheit“) begehrt. Für Beurteilungen, die schlechter als die mittlere Note sind, trägt der Arbeitgeber die Beweislast.

 

Im Interview

Fachanwältin Veronika Wiederhold

Veronika Wiederhold ist Fachanwältin für Arbeitsrecht und Fachanwältin für Verwaltungsrecht mit der Spezialisierung auf das Hochschul- und Prüfungsrecht. Ihre Kanzlei in Dresden berät und vertritt Studierende deutschlandweit bei vielen rechtlichen Problemen. In unserem Blog gibt sie Tipps und teilt ihre langjährige Berufserfahrung.

 

Fazit

Ein Arbeitszeugnis ist für Studenten wichtig – auch dann, wenn es sich nur um einen Nebenjob handelt.

So unkompliziert das Thema zunächst einmal klingen mag, so kompliziert gestaltet es sich häufig in der Praxis. Während du selbst darauf achten musst, dass du rechtzeitig um die Ausstellung eines Zeugnisses bittest, so hat auch dein Arbeitgeber einige Aspekte bezüglich Form und Inhalt deines Zeugnisses zu beachten.

Du möchtest bei zukünftigen Arbeitgebern mit deinem Zeugnis glänzen können – insbesondere bei denen nach dem Studium. Halte dich deswegen an die Empfehlungen von Rechtsanwältin Wiederhold. Fordere ein Zeugnis an und kontrolliere es inhaltlich auf Richtigkeit. Insbesondere Verschlüsselungstechniken und Geheimcodes musst du dabei zu decodieren wissen.

Solltest du so etwas in deinem Zeugnis entdecken, unterstelle deinem Chef nicht gleich böse Absicht. Gerade bei Arbeitgebern von Studenten kann es vorkommen, dass dein Zeugnis nicht von einem erfahrenen Personaler ausgestellt wurde und dein Arbeitgeber es einfach nicht besser wusste.

Fühlst du dich aber ungerecht behandelt, weißt du nun, wie du gegen dein Arbeitszeugnis vorgehen kannst.

Tim Reichel


Dr. Tim Reichel ist Autor, Wissenschaftler und der Gründer von Studienscheiss. Seit über 10 Jahren arbeitet er als Fachstudienberater und löst Probleme im Studium. Außerdem hält er Vorträge, veranstaltet Seminare und schreibt Bücher.

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