Egal ob Bachelorarbeit, Masterarbeit oder Dissertation: Die Abschlussarbeit am Ende des Studiums ist für viele Studenten eine der wichtigsten Prüfungsleistungen. Erstens ist die Abschlussarbeit eine komplexe und schwierige Angelegenheit, in die viel Zeit und Mühe investiert wird; zweitens trägt die Bewertung der Arbeit in der Regel überproportional stark zur Bildung der Gesamtnote des jeweiligen Studiums bei.
Dementsprechend wichtig ist die Note.
Dumm nur, wenn die Benotung der Abschlussarbeit schlecht ausfällt. Besonders ärgerlich ist das, wenn du das Gefühl hast, unfair behandelt oder ungerecht bewertet worden zu sein. Zahlreiche Studenten sehen sich Semester für Semester mit dieser Situation konfrontiert und wissen nicht, was zu tun ist. Und damit meine ich nicht diejenigen, die den Bezug zur Realität verloren haben und gerne streiten. Ich meine die Studenten, deren Abschlussarbeit WIRKLICH unfair benotet wurde.
Daher habe ich einen Rechtsexperten für dich genau zu diesem Thema befragt. Was du tun kannst, wenn deine Abschlussarbeit unfair bewertet wurde und wie du dich konkret dagegen wehren kannst, erfährst du in diesem Experteninterview mit Rechtsanwalt Lars Brettschneider.
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Hallo Herr Brettschneider, Sie sind Fachanwalt für Verwaltungsrecht mit dem Schwerpunkt Prüfungsrecht und kennen sich daher bestens mit rechtlichen Fragen im Studium aus. Erleben Sie es häufig, dass Studierende unzufrieden mit der Bewertung einer schriftlichen Abschlussarbeit sind?
In der Tat kommt das häufig vor. Sie müssen sich nur einmal klar machen, welchen Einfluss die Abschlussarbeiten auf den weiteren Lebensweg der Betroffenen haben. Da wird über das gesamte zukünftige Leben entschieden. Und natürlich haben Prüflinge auch bestimmte Erwartungen was die Bewertung ihrer Leistungen betrifft. Werden diese nicht erfüllt, stellt sich leicht Unzufriedenheit mit der Benotung ein, da die Bewertung durch den Prüfer von der eigenen Einschätzung der Leistung abweicht.
Was können Studierende tun, wenn sie sich gegen eine unfaire Benotung ihrer Abschlussarbeit wehren möchten?
Nun, es gibt zunächst einmal in den meisten Prüfungsordnungen die Möglichkeit einer Remonstration, also einer Gegendarstellung, um den Prüfer vielleicht davon zu überzeugen, dass die eigene Leistung tatsächlich besser hätte bewertet werden müssen.
Daneben gibt es die klassische juristische Vorgehensmöglichkeit der Anfechtung der Prüfungsbewertung. Hierzu stehen entweder Widerspruch oder Klage zur Verfügung, je nach Bundesland und Prüfung. Mit diesen Rechtsmitteln lässt man die vorgenommene Bewertung durch die Behörde bzw. das Verwaltungsgericht nochmals überprüfen.
Grundsätzlich stehen dabei die Remonstration und das Widerspruchs- oder Klageverfahren nebeneinander. Es muss jedoch beachtet werden, dass Widerspruch und Klage grundsätzlich nur innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Prüfungsentscheidung möglich sind. Diese Frist muss man im Rahmen einer Remonstration stets im Auge behalten. Sonst besteht die Gefahr, dass das Überdenken des Prüfers negativ ausfällt und eine rechtliche Klärung im Widerspruchs- oder Klageverfahren nicht mehr möglich ist.
Können Sie das bitte etwas ausführlicher beschreiben: Wie ist bei einer Anfechtung genau vorzugehen?
Wie gesagt, je nach landesrechtlicher Regelung geschieht die Anfechtung durch einen Widerspruch oder direkt durch Klageerhebung. Wie ebenfalls schon erwähnt, muss diese in der Regel innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe des die Prüfungsentscheidung enthaltenden Verwaltungsaktes erfolgen.
Im Widerspruchsverfahren hat man dann die Möglichkeit, die eigenen Einwendungen gegen die Bewertung der eigenen Arbeit vorzutragen. Diese werden dann von der Prüfungsbehörde dem jeweiligen Prüfer vorgelegt, welcher dazu Stellung nimmt. Anschließend wird die Prüfungsbehörde entscheiden.
Wird der Widerspruch zurückgewiesen, hat er also keinen Erfolg, kann man binnen eines Monats ab Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids dagegen Klage vor dem zuständigen Verwaltungsgericht erheben, wo die Einwände nochmals durch den Richter überprüft werden.
Ist es denn generell sinnvoll die Bewertung einer Abschlussarbeit anzufechten oder ist so etwas nur in Ausnahmefällen erfolgreich?
Das hängt ganz vom Einzelfall ab.
Zunächst einmal ist es wichtig zu wissen, dass die Bewertung als solche, also die Frage, wie viele Punkte eine bestimmte Leistung wert ist, der richterlichen und generell der rechtlichen Kontrolle entzogen ist. Die Rechtsprechung räumt hier den Prüfern einen sehr weiten Ermessensspielraum ein, der der gerichtlichen Kontrolle entzogen ist. Der Hintergrund ist, dass nur der Prüfer die Leistung in ihrem Kontext zu den anderen Arbeiten auch wirklich einordnen und damit bewerten kann. Die im Rahmen einer Anfechtung isolierte Betrachtung nur dieser einen Arbeit, ermöglicht es eben nicht, ihren Notenwert im Verhältnis zu den anderen Arbeiten des selben auch früherer Prüfungsdurchgänge festzulegen.
Eine Anfechtung macht daher nur Sinn, wenn ein Verfahrens- oder Bewertungsfehler vorliegt, die Prüfungsbehörde oder der Prüfer folglich einen Fehler gemacht haben.
Zudem ist erforderlich, dass der Fehler für die getroffene Bewertung kausal war. Es darf also nicht ausgeschlossen werden können, dass ohne den Fehler eine bessere Bewertung erfolgt wäre.
Sie haben gerade Verfahrensfehler und Bewertungsfehler angesprochen. Was ist genau darunter zu verstehen? Können Sie jeweils Beispiele nennen?
Bei Verfahrensfehlern handelt es sich um Mängel in der Durchführung der Prüfung als solcher. Dies kann eine zu späte Ladung ebenso sein wie ein zu lauter oder zu heißer Prüfungsraum. Auch eine evtl. Befangenheit des Prüfers gehört dazu oder auch Störungen durch die Prüfungsbehörde selbst, wenn z.B. ein fehlerhafter Sachverhalt korrigiert wird. Letztlich sind Verfahrensfehler alle Fehler im Ablauf der Prüfung, von der Ladung bis zur Beendigung der Prüfung.
Wichtig ist bei Verfahrensfehlern, dass sie nur dann eine spätere Anfechtung der Prüfung ermöglichen, wenn sie unverzüglich, also in der Regel noch während der Prüfung selbst gerügt werden. Hier liegt leider in der Praxis häufig ein Problem, weil eine solche Rüge nicht erfolgt ist. Ich halte daher regelmäßig Vorträge, um genau auf diese Problematik hinzuweisen und die betroffenen Prüflinge im Umgang mit Verfahrensfehlern zu schulen.
Von einem Bewertungsfehler hingegen spricht man, wenn der Prüfer bei seiner Bewertung insbesondere die allgemeinen Bewertungsgrundsätze außer Acht gelassen hat. Das ist z.B. der Fall, wenn der Prüfer Teile der Studienarbeit nicht zur Kenntnis genommen hat – er kritisiert in seiner Bewertung, dass Sie bestimmte Sachen nicht geprüft haben, obwohl Sie Sich auf mehreren Seiten dazu ausgelassen haben – oder er Ihnen etwas als falsch anstreicht, was aber so, wie Sie es dargelegt haben, zumindest vertretbar ist. Ein Bewertungsfehler liegt weiter vor, wenn der Prüfer von Ihnen Sachen verlangt, die vom Prüfungsstoff nicht gedeckt sind. Schließlich stellt auch eine willkürliche Bewertung einen Bewertungsfehler dar.
Macht es dabei einen Unterschied, ob beispielsweise eine Bachelorarbeit oder eine Masterarbeit angefochten wird?
Nein, die Art der Abschlussarbeit ist grundsätzlich egal. Die vorgenannten Grundsätze gelten für jede Art von Abschlussarbeiten, also auch Klausuren oder sogar mündliche Prüfungen.
Müssen Studierende mit irgendwelchen Risiken rechnen, wenn sie die Bewertung einer Prüfung anfechten?
Grundsätzlich nein. Was aber natürlich nie ganz ausgeschlossen werden kann, ist, dass Prüfer in der Prüfungsakte des Prüflings sehen, dass dieser eine Prüfungsanfechtung durchgeführt hat und dann gegebenenfalls etwas strenger prüfen. Viele Prüflinge haben davor Angst. Ich kann aus meiner Praxis allerdings von keinem derartigen Fall berichten. Ich halte dieses Risiko daher für eher theoretisch.
Wie geht es nach einer erfolgreichen Anfechtung weiter?
Das hängt ganz von dem festgestellten Fehler ab. Keinesfalls aber wird die Bewertung einfach vom Gericht angehoben.
Bei Verfahrensfehlern führt die erfolgreiche Anfechtung in der Regel zu einer Wiederholung der Prüfung bzw. des betroffenen Prüfungsteils. Die Prüfung muss nochmals ohne den gerügten Fehler durchgeführt werden. Der Prüfling bekommt also nochmals die Chance sich zu beweisen.
Bei einem Bewertungsfehler wird die Sache an den Prüfer zurückverwiesen, welcher unter Beachtung der Tatsache, dass er in seiner Bewertung bislang einen Fehler hatte, eine neue Bewertung treffen muss. Dabei ist es nicht zwingend, dass die nunmehr zu treffende Bewertung auch tatsächlich besser ausfällt. Der Prüfer kann auch unter Verweis auf die sonstigen, korrekt von ihm festgestellten Mängel der Arbeit an seiner bisherigen Bewertung festhalten.
Meines Erachtens ist daher das Vorliegen eines Verfahrensfehlers für den Prüfling der bessere Befund. Hier bekommt er selbst die Chance, die Prüfung in einem erneuten Anlauf besser zu gestalten, beim Bewertungsfehler ist er in gewissem Umfange auf das Wohlwollen des Prüfers angewiesen.
Lohnt es sich, dazu einen Anwalt zu engagieren?
Auf jeden Fall, da es für eine erfolgreiche Anfechtung immer auf eine gute Herausarbeitung der vorliegenden Prüfungsfehler ankommt.
Dem Prüfling fällt es häufig schwer, die dazu notwendige Objektivität an den Tag zu legen. Insbesondere bei Bewertungsfehlern wird von den Prüflingen häufig die nicht justitiable Bewertung als solches mit dem Vorliegen von Bewertungsfehlern verwechselt.
Es ist aber auch wichtig, der Behörde bzw. dem Gericht substantiiert vorzutragen, worin genau der Fehler liegt. Hierfür ist ebenfalls eine persönliche Distanz zu dem Fall als auch eine gewisse Professionalität erforderlich. Dies weist ein Betroffener in der Regel nicht auf, weshalb die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts sinnvoll ist. Man sollte dabei aber auf eine entsprechende Spezialisierung achten, da Prüfungsanfechtung sehr speziell sind und nicht zum täglichen Geschäft eines jeden Rechtsanwalts gehören.
Geht es hingegen nur um eine Remonstration, ist in der Regel die Einschaltung eines Rechtsanwalts nicht unbedingt erforderlich.
Gibt es einen kuriosen Fall (bzgl. der Anfechtung einer Abschlussarbeit), den Sie nie vergessen werden? Beschreiben Sie bitte kurz.
Ich hatte mal einen Mandanten, dessen Bachelorarbeit mit mangelhaft bewertet worden war. Wir haben hiergegen Widerspruch erhoben und bei Einsicht in die Prüfungsakte festgestellt, dass die Arbeit statt, wie von der Prüfungsordnung vorgesehen, von zwei Prüfern nur vom Erstkorrektor bewertet worden war. Man hatte an der Uni eine Bewertung durch die Zweitkorrektorin für entbehrlich gehalten, da die Bewertung des Erstkorrektors so vernichtend gewesen sei, und die Prüfung für nicht bestanden erklärt. Auf Grund der eindeutigen Rechtslage war der Widerspruch erfolgreich.
Die Zweitkorrektorin hat in der Folge die Arbeit deutlich besser bewertet, so dass der Mandant zur mündlichen Prüfung zugelassen wurde.
Damit war die Sache allerdings noch nicht ausgestanden, denn der Mandant erhielt seine Ladung zur mündlichen Prüfung telefonisch am Prüfungstag selbst. Nachdem wir uns kurz telefonisch abgestimmt hatten, trat der Mandant zwar zur Prüfung an, rügte jedoch gleich zu Beginn die verspätete Ladung. Nachdem er durch die Prüfung gefallen war, haben wir die Prüfung erfolgreich wegen des Verfahrensfehlers angefochten.
Im Interview
Rechtsanwalt und Fachanwalt Lars Brettschneider
Lars Brettschneider ist Fachanwalt für Verwaltungsrecht mit dem Schwerpunkt Prüfungsrecht. Er ist unser Spezialist für Fragen zu den Themen Prüfungsrecht, Hochschulrecht und Schulrecht. Seit vielen Jahren vertritt Rechtsanwalt Lars Brettschneider. Studenten deutschlandweit in rechtlichen Angelegenheiten.
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Fazit
In diesem Artikel habe ich dir zusammen mit Rechtsanwalt Lars Brettschneider gezeigt, dass du eine unfaire Bewertung deiner Abschlussarbeit nicht einfach hinnehmen musst. Egal, um welche Prüfungsleistung es sich handelt: Du hast das Recht auf ein korrektes Prüfungsverfahren und eine faire Bewertung. Werden diese Punkte nicht eingehalten, kannst du dich wehren.
Im ersten Schritt kannst du dazu einen Widerspruch gegen das Prüfungsverfahren bzw. gegen die Bewertung einlegen. Bleibt dieser Antrag erfolglos kannst du mithilfe eines Rechtsbeistands gegen die Entscheidung klagen und somit zu deinem Recht kommen.
Die Erfolgsaussichten sind dabei gar nicht so gering, wie du vielleicht glaubst. Wichtig ist jedoch, dass du die Situation objektiv analysierst und mit dem richtigen Sachverstand angehst. Dabei kann dir ein professioneller Rechtsanwalt helfen, der über das nötige Fachwissen und wertvolle Erfahrungen verfügt.