Pleiten, Pech und Pannen: Wann du eine Prüfung wiederholen darfst

Tim Reichel

Während einer Prüfung kann viel schiefgehen: Wenn z.B. Pannen oder Mängel im Prüfungsverfahren auftreten, kannst du deine Prüfung anfechten und wiederholen

Bild: Viktor Hanacek / picjumbo.com

Während einer Prüfung kann viel schiefgehen – aber nicht nur auf Seiten der Studenten!

Genauso wie du dich an die Fragen und Aufgabenstellungen halten musst, ist deine Hochschule dazu verpflichtet, die rechtlichen Rahmenbedingungen zu beachten und ein faires Prüfungsverfahren sicherzustellen.

Treten hingegen Pannen oder Mängel im Verfahren auf, kannst du deine Prüfung anfechten und eine Neubewertung oder eine Wiederholung durchsetzen.

Wie das genau geht und auf was du dabei achten musst, erfährst du in diesem Artikel. Zusammen mit Rechtsanwalt Christian Reckling zeigen wir dir in einem neuen Studienscheiss-Experteninterview, wie du eine Prüfung wiederholen kannst.

Los geht’s.

 

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Hallo Herr Reckling, Sie helfen deutschlandweit Studierenden bei rechtlichen Schwierigkeiten. Haben Prüflinge, die unfair oder unverhältnismäßig behandelt wurden, immer ein Recht auf Wiederholung der Prüfung?

Studierende bzw. Prüflinge haben das Recht von jedem Prüfer fair und sachlich bewertet zu werden. Dies ergibt sich als verfassungsrechtliche Anforderung aus dem Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und dem Grundsatz der Chancengleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG).

Unsachliche oder auch unfaire Äußerungen des Prüfers können demnach einen Anspruch auf Wiederholung der mündlichen Prüfung verschaffen, wenn das Verhalten des Prüfers geeignet war, Verunsicherungen beim Prüfling auszulösen, die sich auf seine Leistungsfähigkeit auswirkten.

Gleiches gilt natürlich im Fall von unsachlichen oder unverhältnismäßigen (Rand)Bemerkungen im Rahmen einer Bewertung einer schriftlichen Prüfung, wobei sich dann der Anspruch des Prüflings auf eine Neubewertung der schriftlichen Prüfung richtet. In beiden Fällen sind stets alle erheblichen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen.

 

Wie sollten die Studierenden dann genau vorgehen? Bitte skizzieren Sie kurz die einzelnen Schritte

Bei einem Verstoß gegen das Sachlichkeitsgebot und dem Fairnessgebot gebietet es der allgemeine prüfungsrechtliche Grundsatz, dass der Mangel des Prüfungsverfahrens unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern, vom Prüfling gerügt wird.

Zwar wird dies dem Prüfling bspw. in einer mündlichen Prüfung nicht zuzumuten sein, aber spätestens unmittelbar nach der Prüfung ist es dem Prüfling in der Regel zumutbar, auf das verletzende Verhalten des Prüfers oder auf den Verfahrensfehler entsprechend aufmerksam zu machen.

Dabei ist darauf zu achten, dass die Rüge möglichst konkret und idealerweise auch schriftlich vorgebracht wird. Zu beachten sind dann noch etwaige Ausschlussfristen in den jeweiligen Prüfungsordnungen.

 

Wann genau kann man eine Prüfung wegen Verfahrensfehlern anfechten? Darf man danach immer die Prüfung wiederholen?

Die Daumenregel besagt, dass das Prüfungsverfahren, das an einem Mangel leidet, zunächst fehlerhaft ist und zu korrigieren ist. Die alles entscheidende Frage ist dann, ob sich der Mangel erheblich auf die Prüfungsentscheidung ausgewirkt hat.

 

Welche sind die häufigsten Fehler, die seitens der Hochschule im Rahmen einer Prüfung begangen werden?

Der häufigste Fall ist die Verletzung von Verfahrensvorschriften, sprich Verstößen gegen die eigene Prüfungsordnung. Diese Fehler bezeichne ich inzwischen als „Klassiker“.

Aber auch äußere Einwirkungen während der Prüfung, wie Unruhe im Prüfungsraum, Baulärm, Hitze oder Kälte oder auch der Mangel in der Aufgabenstellung können zu einer Aufhebung der Prüfungsentscheidung im Einzelfall führen. Ein weiterer häufiger Fehler ist auch ein nicht oder nur unzureichend geführtes Protokoll über die mündliche Prüfung.

 

Führt jeder Verfahrensfehler dazu, dass man die Prüfung wiederholen kann?

Nein, an dieser Stelle muss im Einzelfall geklärt werden, ob sich der Verfahrensfehler erheblich auf das Prüfungsverfahren ausgewirkt hat. Als Kriterien gelten dabei u.a. die Intensität der (äußeren) Einwirkung und deren Dauer. Es darf also der Einfluss auf das Prüfungsergebnis nicht ausgeschlossen werden können.

 

Nur für den Fall der Fälle: Worauf sollten Studierende während einer Prüfung genau achten? Gibt es dazu eine Art „Checkliste“?

Prüflinge sollten vor Beginn der Prüfung auf Folgendes achten:

  1. Welche Hilfsmittel sind zulässig?
  2. Wie lange darf die Prüfung dauern?
  3. Ist der Prüfungsraum für die Durchführung der Prüfung geeignet?
  4. Beginnt die Prüfung rechtzeitig?
  5. Ist die Aufgabenstellung korrekt?
  6. Im Falle einer mündlichen Prüfung: Ist der Prüfer möglicherweise befangen?

 

Wann sollten Studierende eine Prüfung anfechten? Und wann lieber nicht?

Bei berufsbezogenen Prüfungen empfiehlt es sich grundsätzlich, zunächst die Bewertung auf mögliche Bewertungsfehler zu untersuchen bzw. untersuchen zu lassen. Laufen in diesem Fall Fristen, wie etwa die Widerspruchs- oder Remonstrationsfrist, gilt es, diese Frist unbedingt zu wahren. Eine Anfechtung der Bewertung empfiehlt sich dann, wenn der Prüfling selbst auf mögliche Bewertungsfehler konkret und nachvollziehbar hinweist.

Eine Prüfungsanfechtung sollte nicht in Betracht gezogen werden, wenn sich der Prüfling nur “ungerecht“ bewertet fühlt und die Kritik an der Bewertung nur pauschal bleibt. Bei Verfahrensfehler sollte der Prüfling dann Widerspruch gegen die Prüfungsentscheidung einlegen und prüfen lassen, ob sich ein möglicher Verfahrens- und/oder Beurteilungsfehler auf das konkrete Prüfungsergebnis erheblich ausgewirkt hat.

 

Wie geht es nach einer erfolgreichen Anfechtung weiter?

Dabei ist grundsätzlich zwischen einer mündlichen und einer schriftlichen Prüfung zu unterscheiden. War die Anfechtung einer mündlichen Prüfung erfolgreich, kann aus prüfungsrechtlichen Grundsätzen nicht einfach eine bessere Note vergeben oder die Prüfung als bestanden gewertet werden.

Vielmehr hat der Prüfling in der Regel einen Anspruch auf Wiederholung des fehlerbehafteten Teils der mündlichen Prüfung. Ging es bei der Anfechtung um die Bewertung einer schriftlichen Prüfung, so hat der Prüfling im Erfolgsfalle einen Anspruch auf fehlerfreie Neubewertung.

Bei alledem sind stets der Grundsatz und die Wahrung der Chancengleichheit zu beachten.

 

Welche Risiken müssen Studierende bei einer Anfechtung auf dem Schirm haben?

Die wohl größte Sorge von Prüflingen ist die Frage der Verschlechterung. Oft wird gefragt, ob eine Verschlechterung der Note möglich ist, wovor naturgemäß die Prüflinge oft am meisten Angst haben.

Grundsätzlich ist die sog. „Verböserung“ möglich, in der Praxis ist diese aber so gut wie ausgeschlossen, sodass die Befürchtung, nach einer Prüfungsanfechtung stünde man schlechter als vorher, so gut wie immer unbegründet ist. Ansonsten sollten Prüflinge, die eine Prüfungsentscheidung anfechten, Geduld und ein wenig Ausdauer mitbringen, da die Verfahren teilweise einige Zeit in Anspruch nehmen.

 

Wann lohnt es sich, einen Anwalt zu engagieren?

Die Erfahrungen mit meinen bisherigen Mandanten haben gezeigt, dass diese oftmals durch die Prüfungsentscheidung emotional befangen und natürlich auch enttäuscht sind. Durch diese emotionale Befangenheit ist es in vielen Fällen praktisch unmöglich, eine substantiierte und vor allem objektive Begründung des Widerspruchs zu fertigen.

Da das Rechtsinstrument der Prüfungsanfechtung viel Fingerspitzengefühl, die richtige Wortwahl und Kenntnisse der Rechtsprechung erfordert, sollte daher ein spezialisierter Rechtsanwalt im Prüfungsrecht beauftragt werden. Dieser hat neben der fachlichen Qualifikation den nötigen Abstand zu der bewerteten Prüfungsleistung und kann neutral darüber urteilen.

 

Auf dem Gebiet der Prüfungsanfechtung haben Sie ja schon die eine oder andere Hochschule kennengelernt. Gibt es in Deutschland Universitäten und Hochschulen, an denen besonders viele Fehler im Prüfungsverfahren gemacht werden?

Ich kann natürlich an dieser Stelle nicht die eine Universität oder Hochschule an den Pranger stellen. Meine Erfahrung zeigt aber, dass selbst renommierte Universitäten erst vor dem Verwaltungsgericht ihre Fehler im Prüfungsverfahren einsehen. Als Prüfling hat man dabei das Gefühl, den Kampf „David gegen Goliath“ zu führen.

Die Realität zeigt aber, dass die Prüflinge leider oftmals ihre Rechte nicht wahrnehmen. Dies ist teilweise dadurch begründet, dass die jeweilige Prüfungsordnung den Prüflingen nicht bekannt ist bzw. von den Prüflingen nicht durchgelesen wurde, so dass sich die Prüflinge ihrer Rechte und Pflichten im Rahmen einer Prüfungsanfechtung nicht bewusst sind.

Aber auch auf Seiten der Universitäten und Hochschule zeigt sich in vielen Fällen, dass den Prüfern selbst die eigene Prüfungsordnung nicht bekannt ist und sich dadurch viele Fehler im Prüfungsverfahren ergeben.

 

Zum Schluss: Gibt es einen kuriosen Fall einer Prüfungsanfechtung, den Sie nie vergessen werden?

Es gibt inzwischen so einige Fälle von mir durchgeführter Prüfungsanfechtungen, von denen ich sagen würde: „Das kann doch nicht wahr sein?!“.

Am schwerwiegendsten für die Hochschule war bspw. der Verlauf einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht, in der sich herausstellte, dass die Hochschule über keine gültige Prüfungsordnung verfügte, mithin eigentlich alle Prüflinge keine gültigen Prüfungen abgelegt hatten und dadurch auch kein gültiger Abschluss vorlag. Dieses worst case Szenario einer Hochschule wurde dann aber dadurch “geheilt“, dass das Gericht eine fiktive Prüfungsordnung angenommen hat. Das Gesicht des Vertreters der Hochschule während dieser mündlichen Verhandlung war allemal sehenswert.

Als kurios erwies sich auch der Verlauf einer mündlichen Eignungsprüfung, in dem sich die Prüfungskommission damit begnügte, in dem aus der Prüfungsordnung vorgeschriebenen Prüfungsprotokoll nur Plus- und Minuszeichen zu setzen und zudem nicht klar war, wer an dem Tag unsere Mandantschaft eigentlich geprüft hat. Die Akteneinsicht brachte diese eklatanten Verfahrensmängel erst ans Tageslicht. Letztlich durfte unsere Mandantschaft erfolgreich die Prüfung wiederholen.

 

Im Interview

Rechtsanwalt und Fachanwalt Christian Reckling

Herr Rechtsanwalt Christian Reckling ist ein bundesweit bekannter und anerkannter Experte auf dem Gebiet des Hochschul- und Prüfungsrechts und Spezialist für Verfahrensfehler. Er ist Partner einer Kanzlei und vertritt deutschlandweit erfolgreich viele Studierende bei rechtlichen Problemen. Im Studienscheiss-Blog gibt er praktische Tipps und zeigt Beispiele, wie man eine Prüfung wiederholen kann.

 

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Fazit

Viele Hochschulen nehmen es bei der Prüfungsdurchführung nicht so genau und begehen unglückliche Verfahrensfehler, die sich negativ auf dein Prüfungsergebnis auswirken können.

Das Problem dabei ist: Viele Studenten erkennen diese Fehler gar nicht erst oder nehmen die unfaire Behandlung durch die Hochschule einfach hin. Doch wenn solche Mängel vorliegen, bist du nicht hilflos ausgeliefert – du kannst dich wehren und deine Prüfung anfechten. Wenn du dabei Erfolg hast, kannst du deine Prüfung wiederholen.

Diese 3 Schritte solltest du dafür im Hinterkopf behalten:

  1. Kenne die rechtlichen Rahmenbedingungen und lies deine Prüfungsordnung!
  2. Benutze die Checkliste von Rechtsanwalt Christian Reckling!
  3. Lass dich bei ernsten Problemen von einem Rechtsexperten beraten und nimm professionelle Hilfe in Anspruch!

Bei einer Prüfungsanfechtung geht es nicht darum, das Haar in der Suppe zu finden und sich einen unfairen Vorteil zu verschaffen; es geht darum eine gerechte Prüfungssituation durchzusetzen, die niemanden benachteiligt. Und das kann bedeuten, dass du am Ende eine Prüfung wiederholen darfst.

Tim Reichel


Dr. Tim Reichel ist Autor, Wissenschaftler und der Gründer von Studienscheiss. Seit über 10 Jahren arbeitet er als Fachstudienberater und löst Probleme im Studium. Außerdem hält er Vorträge, veranstaltet Seminare und schreibt Bücher.

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