Was ist ein Learning Agreement? (Erklärung, Struktur und Ausfüllhilfe)

Tim Reichel

In einem Learning Agreement legst du fest, welche Kurse du im Ausland belegen und später anerkennen lassen kannst. Damit in deinem Auslandssemester alles nahc Plan läuft, zeige ich dir worauf die beim Ausfüllen des Learning Agreements achten musst und gebe dir Tipps für die Kommunikation mit deiner Hochschule

Bild: Ben White / unsplash.com

Wenn es um ein Auslandssemester geht, denken die meisten Studenten an fremde Orte, neue Kulturen und spannende Reisen. Natürlich soll dabei auch studiert werden – aber im Mittelpunkt steht meist die Auslandserfahrung. Bei der Organisation eines solchen Semesters muss üblicherweise vorab geregelt werden, welche Vorlesungen und Kurse im Ausland belegt und anerkannt werden können. Dazu ist fast immer eine offizielle Vereinbarung mit der heimischen Universität und der Gasthochschule nötig – das sogenannte Learning Agreement.

Allerdings haben viele Studenten Schwierigkeiten damit, ein solches Dokument korrekt auszufüllen und bei Bedarf anzupassen. Zugegeben: Es handelt sich um ein mehrseitiges bürokratisches Papier, das weder selbsterklärend noch intuitiv gestaltet ist. Doch mit etwas Vorbereitung und den Tipps aus diesem Artikel sollte ein Learning Agreement keine Hürde mehr für dich darstellen.

Lass uns die Sache gemeinsam durchgehen.

 

Was genau ist ein Learning Agreement?

Ein Learning Agreement ist ein Studienvertrag zwischen dem Auslandsstudierenden, der Hochschule im Inland und der Hochschule im Ausland. Diese drei Parteien einigen sich im Learning Agreement darauf, welche Module an der Gasthochschule absolviert und später an der heimischen Hochschule anerkannt werden können. Diese vorläufige Kurswahl gibt allen Beteiligten eine gewisse Planungssicherheit für das bevorstehende Semester. Am meisten schützt sie aber die reisenden Studenten.

Bei vielen Mobilitäts- und Austauschprogrammen ist das Learning Agreement verpflichtender Bestandteil. Wenn du zum Beispiel ein Auslandssemester über Erasmus+ absolvieren möchtest, musst du vorab ein Learning Agreement vorweisen, um die Förderung zu erhalten. Auf europäischer Ebene gibt es dazu eine einheitliche Form, die mittlerweile fast nur noch online ausgefüllt werden kann – das Online Learning Agreement. Ansonsten steht es den beteiligten Hochschulen frei, eigene Vorlagen zu entwerfen. Der grundsätzliche Aufbau ist meist jedoch sehr ähnlich.

 

Aufbau eines Learning Agreements

Der typische Aufbau eines Learning Agreements besteht aus drei Teilen, die sich auf die jeweiligen Phasen eines Auslandssemesters beziehen:

  • Vor dem Auslandssemester (Before the Mobility)
  • Während des Auslandssemesters (During the Mobility)
  • Nach dem Auslandssemester (After the Mobility)

Sehen wir uns diese Phasen etwas genauer an.

 

Before the Mobility

Noch bevor du dein Auslandssemester antrittst, solltest du den ersten Teil, das „Learning Agreement: Before the Mobility“ ausfüllen und von beiden Hochschulen genehmigen lassen. Häufig muss das Dokument auch schon während des Bewerbungsprozesses bei deiner Gasthochschule im Ausland oder bei einer möglichen Förderorganisation eingereicht werden.

Dazu müssen neben generellen Angaben zum Auslandsaufenthalt auch Daten der Hochschulen und insbesondere die geplanten Kurse (samt Umfang) eingetragen werden. Dazu später mehr. Am wichtigsten sind jedoch die Tabellen Table A und Table B. In Table A werden die Kurse eingetragen, die du an der Gasthochschule belegen möchtest; in Table B werden die äquivalenten Module oder Wahlbereiche deiner heimischen Hochschule angegeben, damit klar ist, wie die im Ausland erbrachten Prüfungsleistungen später anerkannt werden sollen.

 

During the Mobility

Sollten sich nach Unterzeichnung des ersten Vertrags oder während deines Auslandssemester Änderungen bei der Kursbelegung ergeben, musst du diese Korrekturen im zweiten Teil „Learning Agreement: During the Mobility“ vornehmen. Es kann immer vorkommen, dass sich nach Ankunft an der Gasthochschule herausstellt, dass einige Kurse doch nicht angeboten werden, es zu zeitlichen Überschneidungen kommt oder die Veranstaltung nicht in der angekündigten Sprache abgehalten werden.

Bei einer Änderung deines Studienplans kannst du innerhalb der ersten Wochen nach Semesterbeginn die Kurswahl anpassen. Hierfür sind die Tabellen Table A2 und Table B2 vorgesehen. Wie im ersten Teil trägst du in Table A2 ein, welche Kurse du nun tatsächlich belegst und füllst im Anschluss in Abstimmung mit deiner heimischen Hochschule Table B2 aus. Dabei ist es auch möglich, dass du mehrfach eine Anpassung vornimmst (wenn dies durch die Bedingungen an deiner Gasthochschule nötig ist). Wichtig ist nur, dass du schnell reagierst und dich eng mit den Auslandskoordinatoren deiner heimischen Universität abstimmst.

 

After the Mobility

Der dritte Teil, das „Learning Agreement: After the Mobility“ kann für die Anerkennung der im Ausland erbrachten Studienleistungen genutzt werden. Häufig wird dieser Teil zusammen mit dem Transcript of Records – einer Notenübersicht deiner erbrachten Prüfungsleistungen während des Auslandssemesters – eingereicht und von deiner Prüfungsbehörde bearbeitet. Einige Hochschulen bevorzugen jedoch andere Anerkennungsdokumente oder haben eigene Vorlagen entwickelt. In diesem Artikel habe ich ausführlicher über die Anerkennung von Prüfungsleistungen im Auslandssemester geschrieben.

Grundsätzlich solltest du auch unterscheiden, welche Dokumente deiner Gasthochschule deine heimische Hochschule und eine mögliche Förderorganisation von dir erhalten möchte. Im besten Fall reicht ein unterschriebenes Learning Agreement; wenn es ungünstig läuft, brauchst du drei (oder mehr) unterschiedliche Dokumente.

So viel zur Struktur. Jetzt schauen wir uns die einzelnen Teile genauer an, denn ich habe noch einige Tipps zum Ausfüllen zusammengestellt.

 

Ausfüllhilfe zum Learning Agreement

Wenn du den Zweck eines Learning Agreements verstanden hast (Studienvertrag zwischen dir, Hochschule und Gasthochschule) und dich in die bürokratischen Begrifflichkeiten hineinfuchst, ist das Ausfüllen kein Problem für dich. Trotzdem habe ich einige Hinweise und Best Practices für dich aufgeschrieben, damit du schneller ans Ziel kommst und unnötige Fehler vermeidest.

Damit klar ist, wovon ich schreibe: Unter dem folgenden Link kannst du dir einen aktuellen Aufbau des von der EU vorgeschlagenen Learning Agreements ansehen:

Learning Agreement (Erasmus +)

Es ist zwar möglich, dass sich Details des Vertrags mit der Zeit ändern, aber der grundsätzliche Aufbau sollte gleich bleiben.

 

Administrative Angaben

Auf der ersten Seite des Learning Agreements müssen einige Daten von dir, deinem Studium und deinen beiden Hochschulen eingetragen werden. Einige Felder sind dabei nicht selbsterklärend.

 

Study cycle

In diesem Feld muss ein EQF-Code eingetragen werden. Je nachdem, in welcher Phase du dich in deinem Studium befindest, musst du dort Folgendes eintragen:

  • Short cycle (EQF level 5)
  • Bachelor or equivalent first cycle (EQF level 6)
  • Master or equivalent second cycle (EQF level 7)
  • Doctorate or equivalent third cycle (EQF level 8).

 

Field of education

In dieses Feld musst du eine Beschreibung für deinen Studiengang eingeben – allerdings nicht die Übersetzung deines Studienfachs, sondern eine offizielle Beschreibung der EU.

Dazu kannst du das sogenannte ISCED-F-2013-Search-Tool, verfügbar unter dem diesem Link, nutzen, um den Studienbereich zu finden, der deinem aktuellen am nächsten kommt.

 

Sending Institution

Nachdem die Daten zu deiner Person vollständig sind, muss im zweiten Bereich der administrativen Angaben eine Kontaktperson deiner heimischen Hochschule eingetragen werden. Dies ist in der Regel der Auslandskoordinator derjenigen Fakultät, über die du dein Auslandssemester antrittst. Ich würde dazu raten, die Daten nicht selbst oder nur in Absprache mit deiner Hochschule einzutragen. Erstens, weil die Informationen zur Kontaktperson manchmal nicht eindeutig sind und zweitens, weil du wichtige Informationen (wie zum Beispiel den „Erasmus Code“) nicht wissen kannst.

 

Receiving Institution

Gleiches gilt für die Angaben zur Kontaktperson an deiner Gasthochschule im Ausland. Die Informationen für diesen Bereich bekommst du entweder vom International Office deiner Hochschule oder direkt von deiner Gasthochschule.

 

Before the Mobility – Table A

In Table A trägst du die Kurse ein, die du an der Gasthochschule im Ausland belegen möchtest. Pro Zeile trägst du einen Kurs ein, und zwar mit den folgenden vier Informationen:

  • Component Code
  • Component Title
  • Semester
  • Number of ECTS

Den „Component Code“ findest du typischerweise in den Modulkatalogen oder im Webangebot deiner Gasthochschule. Mit Component Title ist der Kursname gemeint. Hierbei ist wichtig, dass du genau die Bezeichnung aus den offiziellen Studiendokumenten einträgst. Im Feld „Semester“ trägst du den jeweiligen Turnus (zum Beispiel „Autumn“ oder „Spring“) ein. Im Feld „Number of ECTS“ gibst du die Anzahl der Credit Points an, die für den jeweiligen Kurs an deiner Gasthochschule vergeben werden.

Rechts unten auf der Seite muss dann bei „Total“ die Gesamtanzahl der ECTS berechnet werden. Je nach Kooperation oder Förderprogramm liegt die Mindestanforderung bei 15 bis 30 ECTS-Credits. Abschließend musst du noch eine Einschätzung deiner Sprachkenntnisse vornehmen und das entsprechende Niveau ankreuzen.

 

Before the Mobility – Table B

In Table B trägst du diejenigen Module oder Wahlbereiche von deiner heimischen Hochschule ein, für die eine Anerkennung erfolgen soll. Je Zeile wieder einen Kurs, und zwar mit den folgenden vier Informationen:

  • Corresponding Number
  • Component Title
  • Semester
  • Number of ECTS

Mithilfe der „Corresponding Number“ kannst du deutlich kennzeichnen, welchen Kurs aus dem Ausland (Table A) du welchem Modul zuordnen möchtest. Unter „Component Title“ trägst du dann das passende Modul deiner Hochschule oder einen Wahlbereich ein, in welchem die Anerkennung erfolgen soll. Achte auch hier auf die offizielle Schreibweise. Wenn du unsicher bist, ob eine Anerkennung möglich ist, stimme dich mit deinem Prüfungsausschuss oder den entsprechenden Fachprofessoren ab. Zum Schluss trägst du noch den Umfang der Credit Points ein und bildest unten auf der Seite die Summe.

 

Before the Mobility – Commitment

Auf dem letzten Blatt müssen alle drei Parteien (du, heimische Hochschule, Gasthochschule) unterschreiben.

 

During the Mobility – Ecxeptional Changes

Falls es nach der Unterzeichnung zu Änderungen deines Studienplans kommt, solltest du das Learning Agreement schnell anpassen. Dazu müssen die Korrekturtabellen Table A2 und Table B2 ausgefüllt werden. Grundsätzlich ist der Aufbau ähnlich zu den Tabellen Table A und Table B. Anstelle des Semesters musst du in Table A2 zunächst eintragen, ob der aufgeführte Kurs aus der Vereinbarung gelöscht oder hinzugefügt werden soll. Danach musst du unter „Reason for Change“ einen Grund für die Änderung angeben. Im Online-Formular hast du dazu ein Drop-Down-Menü und kannst zwischen verschiedenen Optionen wählen. Table B2 ist genauso wie Table B aufgebaut – das heißt, du trägst hier (so wie oben beschrieben) alle wichtigen Infos zur Anerkennung der neuen Module ein.

 

After the Mobility – Transcript of Records

Den letzten Teil deines Learning Agreements füllst du gar nicht aus. Wenn deine Hochschule streng ist, kann dir jeder Eintrag an dieser Stelle als Täuschungsversuch oder Urkundenfälschung ausgelegt werden. Lass deine beiden Unis einfach machen.

 

Achtung!

Eine wichtige Info noch zum Schluss: Grundsätzlich müssen alle Veranstaltungen, die im Learning Agreement aufgeführt sind und an der Gasthochschule bestanden wurden, anerkannt werden. Nicht bestandene Prüfungen (und damit Fehlversuche) werden nicht angerechnet. Wird ein Modul, das im Learning Agreement aufgeführt ist, nicht abgeschlossen (zum Beispiel durch nicht Antreten einer Prüfung), gilt dies als Bruch des Learning Agreements und kann im schlimmsten Fall zur vollständigen oder teilweisen Rückforderung eines möglichen Stipendiums führen. Stimme dich also bei Abweichungen von deinem Learning Agreement immer sofort mit deiner Hochschule ab und suche nach Lösungen.

 

Fazit

Wenn du ein Auslandssemester absolvieren möchtest, ist ein Learning Agreement ein wichtiger Bestandteil deiner Organisation. Mithilfe einer solchen Vereinbarung legst du fest, welche Kurse du im Ausland belegen und dir später an deiner heimischen Universität anerkennen lassen kannst. Das Ausfüllen und Verteilen eines Learning Agreements ist zwar mit etwas Aufwand verbunden, aber du gewinnst damit eine Menge Planungssicherheit.

Wenn erstmal feststeht, welche Vorlesungen du an deiner Gasthochschule besuchen kannst, hast du den Kopf frei für die schönen Seiten deines Auslandssemesters. Du musst dich dann nicht mehr um deine Studienplanung kümmern, sondern kannst unbeschwert studieren und deine Zeit im Ausland genießen. Allein dafür lohnt sich die ganze Bürokratie schon.

Tim Reichel


Dr. Tim Reichel ist Autor, Wissenschaftler und der Gründer von Studienscheiss. Seit über 10 Jahren arbeitet er als Fachstudienberater und löst Probleme im Studium. Außerdem hält er Vorträge, veranstaltet Seminare und schreibt Bücher.

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