Wie du Texte schneller lesen, besser verstehen und länger behalten kannst

Tim Reichel

Schneller lesen im Studium: Viele Studenten können lesen - aber es mangelt an Verständnis und Geschwindigkeit. Diese Tipps helfen.

Bild: Rhett Wesley / unsplash.com

Ich weiß, was du heute getan hast.

Du hast gelesen.

Gestern und vorgestern wahrscheinlich auch. Ich wette, du liest fast jeden Tag. Und ich bin mir fast sicher, dass du das meiste davon keine drei Minuten lang im Kopf behalten kannst.

Keine Sorge, so geht es vielen Lesenden; und Studenten ganz besonders. Im Studium wirst du mit Texten nur so zugeworfen. Hier ein Lehrbuch, dort ein Stapel Vorlesungsfolien und zwischendurch ein paar Fallstudien, Übungsblätter oder Hintergrundliteratur.

Lesen, lesen, lesen. Und am besten noch alles behalten und – je nach Bedarf – strukturiert abrufen können. Doch genau an dieser Stelle liegt das Problem: Man hat dir zwar das Lesen beigebracht, aber eine richtige Lesestrategie, die es dir ermöglicht, mit diesem Berg an Informationen umzugehen, hat man dir nicht gezeigt.

Erkennst du dich wieder? Sehr gut, denn dann wird dir dieser Artikel helfen – du brauchst ihn nur zu… lesen.

 

Schneller lesen im Studium: So geht’s!

Wenn du täglich mit langen und gehaltvollen Texten zu tun hast, brauchst du eine Lesestrategie, die dir dabei hilft, schneller zu lesen und mehr vom Gelesenen zu verstehen – und zu behalten.

Der folgende 8-Punkte-Plan hilft dir dabei:

 

1. Überblick verschaffen

Bevor du dich auf dein Buch oder deinen Textauszug stürzt, solltest du dir einen groben Überblick verschaffen. Blättere die Seiten durch, die du gleich lesen wirst: Wie viel Text hast du ungefähr vor dir? Wie sind die Seiten aufgebaut? Gibt es Grafiken, interaktive Teile oder andere Besonderheiten? Finde heraus, was dich erwartet – dadurch vermeidest du Überraschungen und kommst schneller ans Ziel.

 

2. Querlesen/Inhaltsverzeichnis checken

Überfliege als nächstes den Text oder das Inhaltsverzeichnis des Buches. Verfeinere deinen Überblick, den du dir in Schritt 1 erarbeitet hast und versuche, ein erstes grobes Gespür für inhaltliche Themen zu bekommen. Worum geht es in dem Text? Welche wichtigen Schwerpunkte werden behandelt? Wie sind diese gegliedert? Sobald du den Aufbau kennst, wirst du beim späteren Lesen seltener unterbrochen und kannst viel einfacher thematische Zusammenhänge erkennen.

 

3. Scannen

Nachdem der Aufbau klar ist, gehst du zu deiner Hauptarbeit über: dem Lesen. Allerdings nicht – wie gewohnt – Wort für Wort, sondern etwas flotter und selektiver. Du scannst deinen Text. Das bedeutet: Du schwebst über deinen Text hinweg und versuchst dabei, jede Zeile so schnell wie möglich mit deinen Augen aufzunehmen. Achte dabei auf Besonderheiten, wie Überschriften, Aufzählungen oder andere Hervorhebungen und widme diesen Highlights mehr Aufmerksamkeit. Rase auf diese Weise zwei bis drei Mal über jede Seite und nimm dir dabei je Durchgang höchsten zehn Sekunden Zeit – pro Seite.

 

4. Markieren

Kennst du auch den Satz „In Bücher darf man nicht reinschreiben.“? Vergiss ihn. Es ist falsch, dumm und hindert dich daran, beim Lesen produktiv zu sein. Bücher sind dazu da, damit wir aus ihnen lernen können und dadurch schlauer werden. Das werden wir aber nur, wenn wir sie als Arbeitsmittel benutzen. Gewöhne dir deswegen an, wichtige Textstellen, Kernaussagen oder treffende Beispiele beim Lesen zu markieren. Nicht später, sondern direkt beim ersten Mal. Am besten benutzt du dazu verschiedene Farben, malst Symbole an den Rand und schreibst Fragen oder eigene Erkenntnisse direkt an den Text.

 

5. Schnell lesen (Speed Reading)

Schnelles Lesen (oder: „Speed Reading“) ist seit einigen Jahren ein großer Trend. Ich selbst habe mit dem Buch von Tony Buzan (Affiliate-Link) erste Erfahrungen mit Speed Reading gesammelt und beherrsche die Grundtechniken (einige davon zeige ich dir vereinfacht in diesem Artikel). Von teuren Kursen, nervigen Seminaren oder abgeschriebenen E-Books rate ich dir allerdings ab. Für schnelle Ergebnisse kann ich dir hingegen die App Quick Reader (kein Affiliate-Link) empfehlen.

 

6. Skippen

Wenn du produktiv lesen möchtest, darfst du auf keinen Fall zu perfektionistisch sein. Das heißt: Du brauchst nicht alles zu lesen, was dir vorgesetzt wird. Es wird in deinen Texten immer Sätze, Abschnitte oder ganze Kapitel geben, die irrelevant für dich sind. Falls du solch einen Textbaustein findest: Unterbrich auf der Stelle das Lesen und skippe zum nächsten Anfangspunkt. Lasse diese Teile weg – sie stehlen nur deine Zeit.

 

7. Zusammenfassen

Direkt nachdem du einen größeren Abschnitt gelesen hast, solltest du die wichtigsten Informationen und Kernaussagen des Autors schriftlich zusammenfassen. Schreibe in kurzen, prägnanten Sätzen nieder, was du aus dem Text gelernt hast. Verwende deine eigenen Worte und stelle die Zusammenhänge präzise dar. Wenn du deine Markierungen (Punkt 4) gut gesetzt hast, reicht es häufig schon aus, wenn du diese Notizen ausformulierst und sammelst.

 

8. Anwenden

Nach der Zusammenfassung hören viele Studenten mit der Arbeit auf – und damit zerstören sie mehr als 90 Prozent ihres Erfolgs. Warum? Weil die Informationen, die sie aufgenommen haben, noch nicht in ihrem Gehirn verankert wurden. Preisfrage: Wie schafft man das? Antwort: Mit Aktion. Wende das Gelesene daher direkt an, indem du eine kleine Mini-Lernaktion durchführst. Denke dir entweder ein eigenes Anwendungsbeispiel aus, recherchiere eine Hintergrundinformation oder lerne eine schnelle Definition auswendig. Rechne etwas aus, übersetze ein Fachwort oder überlege dir eine Frage für die nächste Vorlesung. Die Möglichkeiten sind unendlich – wichtig ist nur, dass du handelst.

 

Schneller lesen: Produktivitäts-Booster

Falls du einen Schritt weitergehen und deine Lesearbeit noch professioneller gestalten möchtest, dann wirf einen Blick auf diese fünf Bonus-Tipps:

 

Tipp 1: Schriftliche Ziele festlegen

Lege, bevor du mit dem Lesen beginnst, drei schriftliche Ziele fest, die du während deiner Lesesession erreichen möchtest. Mit klaren Zielen liest du genauer und bildest einen besseren Fokus. Außerdem schaffst du dir auf diese Weise einen eigenen kleinen Kontrollmechanismus.

Deine Ziele könnten zum Beispiel sein:

  • „Ich möchte nach dem Lesen alle Übungsfragen zu dem Thema beantworten können.“
  • „Ich weiß, was sich hinter Definition X verbirgt.“
  • „Ich kenne alle Beispiele aus Kapitel Y.“
  • „Ich habe eine fertige Zusammenfassung von Text Z.“

 

Tipp 2: Leseumgebung anpassen

Wenn dich dein Umfeld beim Lesen und Arbeiten stört, wirst du niemals deine volle Produktivität freisetzen können. Optimiere deswegen deine Leseumgebung:

  • Sorge für ausreichend Licht
  • Schaffe genug Platz, damit du dich beim Lesen nicht eingeengt fühlst
  • Lege etwas zu schreiben bereit
  • Schalte laute Störgeräusche aus oder benutze Ohrstöpsel

 

Tipp 3: Zeit stoppen

Viele Menschen denken, sie seien produktiv – bis sie ihre Zeit stoppen. Denn erst dann arbeiten sie effizient und werden produktiv. Wenn du auf Zeit liest und diese Dauer auch noch protokollierst, wirst du automatisch schneller lesen als jemals zuvor. Und das ohne spürbaren Qualitätsverlust. Es hört sich unglaubwürdig an, doch die bloße Anwesenheit einer Stoppuhr und das Durchlaufen eines Sekundenzählers sorgen dafür, dass du über dich hinauswächst.

 

Tipp 4: Mindmap anfertigen

Neben deiner Zusammenfassung (Punkt 7) kannst du deine Markierungen und Notizen (Punkt 4) dazu nutzen, um deinen Text grafisch aufzubereiten. Erstelle dazu eine Mindmap und versuche, die Inhalte aus deinem Text in einen sachbezogenen Zusammenhang zu bringen. Mindmaps helfen dir dabei, die Übersicht zu behalten und vereinfachen das Einprägen von trockenen Fachinformationen. Außerdem werden die Verflechtungen der einzelnen Themen deutlich.

 

Tipp 5: E-Books nutzen

Wenn du Texte oder Lehrbücher elektronisch bekommen kannst, solltest du von dieser Option ab sofort Gebrauch machen. Und zwar großen Gebrauch. E-Books oder einfache PDFs sind nämlich super, weil:

  • Textpassagen können einfach markiert werden
  • Kommentare können beliebig ergänzt werden
  • mithilfe der Suchfunktion lassen sich relevante Informationen schneller finden
  • Textbausteine können in andere Dokumente kopiert werden
  • Seiten können ohne viel Aufwand entnommen, kopiert und entsprechend benannt werden
  • elektronische Texte können überall mit hin genommen und einfacher von unterwegs gelesen werden

Wenn du mit E-Books arbeitest, kannst du dir dank der technischen Applikationen das Lesen einfacher machen. Es wird dadurch nicht romantischer – aber effizienter.

 

Fazit

Lesen kann jeder Student. Richtig lesen – im Sinne von produktiv und nachhaltig – kann wahrscheinlich nicht mal jeder Zehnte. Ich selbst habe erst spät damit angefangen, Texte aus meinem Studium als das anzusehen, was sie in Wirklichkeit sind: Werkzeuge. Und Werkzeuge müssen so benutzt werden, dass sie ihren Anwendern möglichst viel Arbeit ersparen.

Lege dir deshalb eine funktionale Lesestrategie zu. Verabschiede dich von dem Gedanken, dass du jeden Text Wort für Wort lesen und dabei jeden Buchstaben im Detail studieren musst. Diese Herangehensweise bremst dich nur aus und kostet Zeit. Du sollst beim Lesen keinen Schönheitspreis gewinnen. Deine Aufgabe ist es, die wichtigsten Informationen aus deinen Texten herauszubekommen. Und zwar so schnell, so genau und so ergiebig wie möglich.

Daher: Schnapp dir einen Text, scanne die Liste von oben ein weiteres Mal, nimm einen Punkt aus dem Maßnahmenkatalog heraus und setze ihn direkt um! Dann den nächsten. Und so weiter.

Und falls du gerade keinen Text zur Hand hast, schenke ich dir die ersten 34 Seiten meines Buches: Kostenlose Leseprobe vom Bachelor of Time herunterladen

Viel Erfolg beim Lesen!

Tim Reichel


Dr. Tim Reichel ist Autor, Wissenschaftler und der Gründer von Studienscheiss. Seit über 10 Jahren arbeitet er als Fachstudienberater und löst Probleme im Studium. Außerdem hält er Vorträge, veranstaltet Seminare und schreibt Bücher.

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